102: Aussprache
„Antworten Sie leise. Was tun Sie hier,“ wird drohend geflüstert. Überrascht stellt Alena fest, dass sich die Stimme bekannt anhört und auf einmal weiß sie, wer hinter ihr steht. „Frau Dahlem?“ Die Worte erzeugen einen Hustenreiz in ihrer Kehle, aber nun lockert sich der Arm um ihren Oberkörper und der Druck des Laufs wird geringer. „Alena Brandenburg!“ Alena gelingt es, sich umdrehen und sie sieht in Brigitte Dahlems ungläubiges Gesicht. „Was zum Teufel machen Sie hier?“ Frau Dahlem ist ganz in schwarz gekleidet und hat die Haare zu einem strengen Zopf gebunden. Sie nimmt die Waffe herunter, die an ihr keineswegs wie ein Fremdkörper wirkt. Im Zusammenhang mit dem herben Gesicht und den entschlossenen Augen der Frau scheint sie ein selbstverständliches Utensil. Trotzdem dürfte die Dahlem keine Waffe besitzen. „Woher haben Sie die Pistole?“ Frau Dahlem wirft einen kurzen Blick darauf, dann entsichert sie sie und steckt sie in den Hosenbund. „Das hat Sie nicht zu interessieren.“
Sie runzelt die Stirn und fragt nun ärgerlich: „Schnüffeln Sie hinter mir her?“ Alena spürt, wie ihre Knie weich werden, als die Anspannung ihren Körper verlässt und sie schwankt ein wenig. Sofort ergreift die Dahlem ihren Arm. „Geht es Ihnen nicht gut?“ Alena winkt schwach ab. „Alles in Ordnung. Ich habe mich nur etwas erschrocken.“ Sie atmet ein paar tiefe Züge ein und aus und sucht dann Brigitte Dahlems Augen. „Kaspar ist verhaftet worden,“ sagt sie. Ein seltsamer Ausdruck erscheint auf dem Gesicht der Frau. Sie sieht sich um und betrachtet dann aufmerksam die Straße. „Kommen Sie, wir gehen in meine Wohnung. Dort können wir reden.“
Seufzend lässt sich Alena auf das Sofa im Wohnzimmer sinken. Hier ist es weniger kühl als draußen, und sie ist froh, ihre schmerzenden Füße entlasten zu können. Brigitte Dahlem setzt sich auf den Sessel, ohne das Licht anzumachen. „Wenn es Ihnen nichts ausmacht, es wäre mir lieber so,“ erläutert sie. Alena zuckt mit den Schultern. Durch das Fenster scheint das fahle Licht der Straßenlaterne herein ohne das Gesicht der Dahlem zu erreichen. Nur vage erkennt Alena ihre Gesichtszüge. Aber sie hat Verständnis für seltsame Angewohnheiten. „Möchten Sie einen Kaffee?“ Überrascht nickt Alena und beobachtet, wie Frau Dahlem sich erhebt und in die kleine Küche geht. Im Dunkeln rauscht Wasser in eine Glaskanne, gefolgt vom Rascheln der Filtertüte. Als die Kaffeemaschine zu klacken beginnt, kehrt Frau Dahlem zurück und setzt sich.
„Was ist nun mit Kaspar Wagenbach?“ Alena beginnt zu erzählen. In einem Anfall von Geistesgegenwart lässt sie das Treffen mit Pia aus und ändert den Anfang dahingehend, dass sie aus Sorge um Kaspar zu Pia gegangen und mit ihr zur Wohnung gefahren ist. Sie berichtet von dem Fund im Arbeitszimmer und von der anschließenden Verhaftung. Sie schildert ihre Überlegungen hinsichtlich des Wagens vor Brigitte Dahlems Wohnung und ihre Sorge, dass es sich um Kaspar gehandelt haben könnte. Zeitweise schließt sie ihre Augen während des Berichts, da sie in der Dunkelheit sowieso keine Reaktion erkennen kann. Als sie fertig ist, steht Brigitte Dahlem auf, geht in die Küche und kommt mit zwei Bechern Kaffee zurück. „Ich habe Zucker für Sie hineingetan,“ sagt sie und Alena nimmt dankbar den heißen Becher entgegen. Der erste kleine Schluck Kaffee steigt direkt in ihr Gehirn und macht sie hellwach.
„Warum sind Sie nicht zu mir gekommen? Ich wäre auch mit Ihnen zu Kaspar gefahren. Und dann würde Wagenbach jetzt garantiert nicht so tief in der Scheiße stecken.“ In ihren Worten steckt kein Vorwurf. Einen Moment lang denkt Alena über das Gesagte nach, dann erwidert sie ehrlich: „Ich war mir nicht sicher, wie Sie zu Kaspar stehen. Ich weiß nicht, ob Sie ihm helfen wollen oder ob Sie Ihre schlechte Meinung über seine Mutter an ihm auslassen.“ Sie macht eine Pause um mehr Kaffee zu trinken. „Frau Stein-Bachmüller ist nicht gerade eine Freundin von Kaspar und sie hat ihn verdächtigt, Schwarz erschossen zu haben. Aber immerhin wusste ich, woran ich bei ihr bin.“
Brigitte Dahlem antwortet erst nicht, dann nickt sie. „Ich verstehe.“ Verwundert bemerkt Alena das leichte Bedauern in ihrer Stimme. Schüchtern fragt sie: „Sind Sie wütend, dass Kaspar diese Briefe geschrieben hat? Dass er vorgegeben hat, dass sie von der RAF stammen?“ Langsames Kopfschütteln. „Das wusste ich bereits. Ich habe ihn gefragt, als er das erste Mal hier war. Er war zwei Mal hier. Das zweite Mal sind Sie dazu gekommen.“ Brigitte Dahlem klingt müde. „Er hat sofort zugegeben, dass er die Drohbriefe geschrieben hat. Und er hat mir den Grund erklärt.“ Achselzucken. „Ich fand die Idee nicht besonders clever. Damals war ich wütend. Weil er damit die Aufmerksamkeit von Schwarz auf mich und Burg gezogen hat. Wir standen wieder im Fadenkreuz. Schwarz ist bei mir aufgetaucht, er war nervös, aber noch genauso arrogant wie früher. Für ihn hatte sich nichts geändert. Er war auf der guten Seite und glaubte, er kann mich behandeln wie Dreck. Und bei Burg ist es genauso gelaufen.“
Die Frage liegt Alena auf der Zunge, aber sie wagt es nicht, sie auszusprechen. Nicht heute Nacht. Ihre Nerven liegen noch immer blank und sie fühlt sich völlig kraftlos. Der vergangene Tag steckt ihr in den Knochen. Sie spürt, dass Brigitte Dahlem sie ansieht. „Ich habe Schwarz nicht getötet,“ sagt sie, als könne sie Alenas Gedanken lesen. „Und ich bin mir ziemlich sicher, dass auch Hajo nichts damit zu tun hat.“
Sie runzelt die Stirn und fragt nun ärgerlich: „Schnüffeln Sie hinter mir her?“ Alena spürt, wie ihre Knie weich werden, als die Anspannung ihren Körper verlässt und sie schwankt ein wenig. Sofort ergreift die Dahlem ihren Arm. „Geht es Ihnen nicht gut?“ Alena winkt schwach ab. „Alles in Ordnung. Ich habe mich nur etwas erschrocken.“ Sie atmet ein paar tiefe Züge ein und aus und sucht dann Brigitte Dahlems Augen. „Kaspar ist verhaftet worden,“ sagt sie. Ein seltsamer Ausdruck erscheint auf dem Gesicht der Frau. Sie sieht sich um und betrachtet dann aufmerksam die Straße. „Kommen Sie, wir gehen in meine Wohnung. Dort können wir reden.“
Seufzend lässt sich Alena auf das Sofa im Wohnzimmer sinken. Hier ist es weniger kühl als draußen, und sie ist froh, ihre schmerzenden Füße entlasten zu können. Brigitte Dahlem setzt sich auf den Sessel, ohne das Licht anzumachen. „Wenn es Ihnen nichts ausmacht, es wäre mir lieber so,“ erläutert sie. Alena zuckt mit den Schultern. Durch das Fenster scheint das fahle Licht der Straßenlaterne herein ohne das Gesicht der Dahlem zu erreichen. Nur vage erkennt Alena ihre Gesichtszüge. Aber sie hat Verständnis für seltsame Angewohnheiten. „Möchten Sie einen Kaffee?“ Überrascht nickt Alena und beobachtet, wie Frau Dahlem sich erhebt und in die kleine Küche geht. Im Dunkeln rauscht Wasser in eine Glaskanne, gefolgt vom Rascheln der Filtertüte. Als die Kaffeemaschine zu klacken beginnt, kehrt Frau Dahlem zurück und setzt sich.
„Was ist nun mit Kaspar Wagenbach?“ Alena beginnt zu erzählen. In einem Anfall von Geistesgegenwart lässt sie das Treffen mit Pia aus und ändert den Anfang dahingehend, dass sie aus Sorge um Kaspar zu Pia gegangen und mit ihr zur Wohnung gefahren ist. Sie berichtet von dem Fund im Arbeitszimmer und von der anschließenden Verhaftung. Sie schildert ihre Überlegungen hinsichtlich des Wagens vor Brigitte Dahlems Wohnung und ihre Sorge, dass es sich um Kaspar gehandelt haben könnte. Zeitweise schließt sie ihre Augen während des Berichts, da sie in der Dunkelheit sowieso keine Reaktion erkennen kann. Als sie fertig ist, steht Brigitte Dahlem auf, geht in die Küche und kommt mit zwei Bechern Kaffee zurück. „Ich habe Zucker für Sie hineingetan,“ sagt sie und Alena nimmt dankbar den heißen Becher entgegen. Der erste kleine Schluck Kaffee steigt direkt in ihr Gehirn und macht sie hellwach.
„Warum sind Sie nicht zu mir gekommen? Ich wäre auch mit Ihnen zu Kaspar gefahren. Und dann würde Wagenbach jetzt garantiert nicht so tief in der Scheiße stecken.“ In ihren Worten steckt kein Vorwurf. Einen Moment lang denkt Alena über das Gesagte nach, dann erwidert sie ehrlich: „Ich war mir nicht sicher, wie Sie zu Kaspar stehen. Ich weiß nicht, ob Sie ihm helfen wollen oder ob Sie Ihre schlechte Meinung über seine Mutter an ihm auslassen.“ Sie macht eine Pause um mehr Kaffee zu trinken. „Frau Stein-Bachmüller ist nicht gerade eine Freundin von Kaspar und sie hat ihn verdächtigt, Schwarz erschossen zu haben. Aber immerhin wusste ich, woran ich bei ihr bin.“
Brigitte Dahlem antwortet erst nicht, dann nickt sie. „Ich verstehe.“ Verwundert bemerkt Alena das leichte Bedauern in ihrer Stimme. Schüchtern fragt sie: „Sind Sie wütend, dass Kaspar diese Briefe geschrieben hat? Dass er vorgegeben hat, dass sie von der RAF stammen?“ Langsames Kopfschütteln. „Das wusste ich bereits. Ich habe ihn gefragt, als er das erste Mal hier war. Er war zwei Mal hier. Das zweite Mal sind Sie dazu gekommen.“ Brigitte Dahlem klingt müde. „Er hat sofort zugegeben, dass er die Drohbriefe geschrieben hat. Und er hat mir den Grund erklärt.“ Achselzucken. „Ich fand die Idee nicht besonders clever. Damals war ich wütend. Weil er damit die Aufmerksamkeit von Schwarz auf mich und Burg gezogen hat. Wir standen wieder im Fadenkreuz. Schwarz ist bei mir aufgetaucht, er war nervös, aber noch genauso arrogant wie früher. Für ihn hatte sich nichts geändert. Er war auf der guten Seite und glaubte, er kann mich behandeln wie Dreck. Und bei Burg ist es genauso gelaufen.“
Die Frage liegt Alena auf der Zunge, aber sie wagt es nicht, sie auszusprechen. Nicht heute Nacht. Ihre Nerven liegen noch immer blank und sie fühlt sich völlig kraftlos. Der vergangene Tag steckt ihr in den Knochen. Sie spürt, dass Brigitte Dahlem sie ansieht. „Ich habe Schwarz nicht getötet,“ sagt sie, als könne sie Alenas Gedanken lesen. „Und ich bin mir ziemlich sicher, dass auch Hajo nichts damit zu tun hat.“
Flannery Culp - 20. Apr, 19:42