Dienstag, 14. November 2006

sternkleinsternkleinsternklein

MoMA: Gerhard Richter

Ich bitte die Pause zu entschuldigen, aber der Krimiblogger hatte Schreibpause, dem immer mal wieder aufkeimenden Wunsch nachgebend, das heimische Arbeitszimmer und die heimelige Tastatur zu verlassen, um einen Ausflug in die Realität zu machen, die zwar auch durch Wörter geprägt, aber nicht aus Buchstaben geformt ist. Wie man an obigem Satz unschwer erkennt, hänge ich noch tief im Jetlag, der mir weniger als fehlender bzw. hinterherreisender und noch nicht angekommener Schatten vorkommt, wie Gibson es seine Protagonistin Cayce in "Pattern Recognition" so einprägsam beschreiben lässt, sondern banal als dumpfes Gefühl totaler müder Blödheit.

Jedenfalls konnte ich die Stadt mit dem Loch (Zitat von Tomte, was nicht heißt, dass ich Tomte-Fan bin, aber dieser Ausdruck ist schon irgendwie treffend) nicht verlassen, ohne einen Blick auf den berühmten und berüchtigten und von mir schon lange vor der Idee zu diesem Krimi und unabhängig von etwaigem historischen Interesse gesehen zu haben wollenden Zyklus Oktober 18, 1977 von Gerhard Richter zu werfen. Wenn das MoMA die Bilder nicht genommen hätte, könnten sie jetzt vielleicht bei uns im Wohnzimmer hängen. Schade irgendwie. Aber auch relativ unwahrscheinlich.

Ensslin

Ich bin jetzt leider momentan oder wohl eher auch überhaupt nicht in der Lage, dieses Kunstwerk in kriminalliterarischer, historischer oder philosophischer Weise zu würdigen, daher verzichte ich jetzt darauf (was natürlich nicht heißt, dass ich nicht später doch noch etwas nachschiebe...) und gehe ins Bett um die verlorene Zeit wieder einzuschlafen.

27: Gesprächsende - Ende des Gesprächs?

Brigitte Dahlem sieht ihn einen Moment regungslos an und zuckt dann mit den Schultern. „So war das jedenfalls. Keine große Sache. Man kommt mehr oder weniger zufällig zusammen, stellt fest, dass die Chemie stimmt und dann plant man ein Projekt.“ – „Wer war der Chef des Kommandos,“ fragt Alena und wird mit einem verächtlichen Blick bedacht. „Bei uns gibt es keine Hierarchie. Wer mitmacht, entscheidet mit.“ Alena lehnt sich interessiert nach vorn. „Sie reden im Präsens, aber ich dachte, dass es 1998 eine schriftliche Auflösungserklärung gegeben hat.“ Sie stützt sich mit den Ellenbogen auf den Tisch. „Gibt es die RAF noch?“ Jetzt werden kleine Wutfalten auf Dahlems Stirn sichtbar. Sie wendet sich wieder Kaspar zu. „Was soll das eigentlich? Schreibt sie wirklich an dem Buch mit, oder hat sie ganz andere Pläne?“ Kaspar wirft Alena einen undefinierbaren Blick zu. „Jetzt lass mal gut sein.“ Dann in Richtung Brigitte: „Sie ist immer so. Kritisch und bohrend. Das ist gut für das Buch, aber für die Mitwirkenden manchmal etwas anstrengend.“ Er bringt ein jungenhaftes Grinsen zustande. „Nerve ich Sie mit meinen Fragen,“ wirft Alena jetzt unschuldig ein. Sie weiß, dass sie den Bogen überspannt hat. „Tut mir leid. Ich halte mich zurück.“ Sie lächelt nicht und senkt die Augen auf ihre Notizen. Einen Moment lang spürt sie den Blick der Frau auf sich, dann entspannt sich die Situation wieder. „Wollen Sie sonst noch etwas wissen? Sonst reicht es mir nämlich für das erste Treffen.“ Kaspar nickt schnell. „Kein Problem. Darf ich Sie für das nächste Treffen anrufen?“ Brigitte Dahlem schiebt ihren Stuhl zurück und steht auf. „Ok,“ sagt sie und verlässt das Cafe ohne ein weiteres Wort.

Ein paar Minuten sitzen sich Alena und Kaspar wortlos gegenüber. Dann atmet Kaspar hörbar aus. „Komplizierte Situation.“ Er lehnt sich nach vorne. „Und du machst die Sache nicht gerade einfacher. Ich glaube es wäre besser, wenn Du mich demnächst reden lässt.“ Alena starrt an ihm vorbei auf die Gestalt von Brigitte Dahlem, die sich mit schnellen Schritten entfernt. „Du führst das Gespräch und ich werfe hin und wieder meine Fragen ein. Einverstanden?“ Kaspar richtet sich auf. „Es hat keinen Sinn sie zu vergraulen. Wenn sie sich bedrängt fühlt, bricht sie das Gespräch einfach ab und lehnt jedes weitere Treffen an. Sie ist immer am Zug.“ Langsam schüttelt Alena den Kopf. „Das würde ich nicht so sehen.“ Jetzt richtet sie ihren Blick direkt auf Kaspar. „Warum glaubst du, macht sie das hier? Doch nicht, um uns einen Gefallen zu tun.“ Sie fixiert ihn. „Wie du schon bei dem ersten Telefonat angedeutet hast, wir bieten ihr auch etwas, nämlich die Gelegenheit gehört zu werden.“ Alena schließt ihre Augen, sie spürt, dass sie müde wird. Es wird Zeit, dass sie wieder in die wohltuende Einsamkeit ihrer Wohnung zurückkehrt. „Sie ist seit einem Jahr aus dem Gefängnis und alles ist anders. Keine Gruppe, in deren Schoß sie zurück kann. Die RAF hat sich aufgelöst und die alten Mitstreiter sind tot oder verschollen oder weit weg. Brigitte Dahlem ist isoliert. Und sie ist allein mit ihren Gedanken. Sie fragt sich, ob es das wirklich wert war, ob das alles Sinn gemacht hat. Wo alles hin ist. Ob sich alles in Luft aufgelöst hat.“ Ohne die Augen zu öffnen murmelt sie weiter: „Wenn sie mit uns redet, hat sie das Gefühl, dass etwas davon geblieben ist, dass es noch irgendwie real ist.“ Das Stimmengewirr der vielen Menschen um sie herum erscheint ihr immer lauter; es dringt immer weiter in ihr Bewusstsein ein und stört den Gedankenfluss in ihrem Kopf. Sie öffnet die Augen einen winzigen Spalt wie jemand, der unter starker Migräne leidet. „Ich muss jetzt nach hause.“ Kaspar springt auf, er kennt diesen Zustand. „Ich bringe dich nach hause.“ Brüsk wehrt Alena ab, ihre soziale Toleranzgrenze ist überschritten. „Ich gehe lieber allein.“

das Projekt Krimi-Blog

AUS DEN CHAOTISCHEN WINDUNGEN EINES KRIMIVERSEUCHTEN HIRNS BOHRT SICH EIN WEITERER ROMAN AN DIE DIGITALE OBERFLÄCHE EINES BLOGS. WIE SCHON IM VORGÄNGER „ZAHLEN UND ZEICHEN“ SOLL DAS SCHREIBEN EINES KRIMINALROMANS MIT DER PRAXIS DES BLOGGENS VERBUNDEN WERDEN. DAS BEDEUTET, DASS DER PLOT IN DEN GRUNDZÜGEN FESTSTEHT, DER KRIMI JEDOCH NICHT BEREITS FIX UND FERTIG IN DER SCHUBLADE LIEGT, SONDERN SICH IM SCHREIBEN ENTWICKELT. WAS GESCHRIEBEN WIRD, WIRD KURZ DARAUF GEBLOGGT, IST DAMIT FAKTISCH, UND WIRD NUR IN AUSNAHMEFÄLLEN (SEHR PEINLICHE TIPPFEHLER) GEÄNDERT. ERGÄNZT WIRD DAS GANZE DURCH METATEXT UND LINKS. EUCH UND MIR ALSO VIEL SPAß BEI „SPUREN UND STERNE“.

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