was ich hier tue
Vielleicht kommt es manchem Leser so vor, als würde ich hier eine Diskussion konstruieren, die ich gar nicht führen kann. Und zeitweise ist es mir auch vorgekommen, als versuche ich Begründungsketten zu basteln, die auf Erfahrungen beruhen, die ich nicht gemacht habe und auf Überzeugungen, die ich nicht nachvollziehen kann. Dass dies Erfahrungen und Überzeugungen von Mitgliedern der einer Terrororganisation wie der RAF sind, scheint die Sache noch schwieriger zu machen, scheint Verstehen und Nachvollziehen noch unmöglicher zu machen.
Aber tatsächlich ist das doch nur ein Problem, mit dem wir jeden Tag zu kämpfen haben, das wir meistens scheinbar im Schlaf beherrschen und an dem wir manchmal ganz derbe scheitern: das Verstehen Anderer. Die Mitglieder der RAF sind nicht von einem Anderen Stern gekommen, sie sind in unserer Gesellschaft groß geworden. Gerade die RAF setzte sich aus Angehörigen der Mittelschicht zusammen, die größte Gruppe der deutschen Bevölkerung. Leute, die zur RAF gegangen sind, hatten kein spezielles Terroristen-Gen, sind nicht in kriegsähnlichen Zuständen aufgewachsen und hatten keine tendenzielle Terroristen als Eltern. Sie sind aufgewachsen wie so viele in den 60ern. Der einzige Unterschied zum Bürokaufmann, dem Lehrer oder Journalisten der 70er war, dass sie eine Karriere bei der RAF gewählt hatten. Ich möchte damit nur sagen, die Gründe eines Terror-Mitglieds nicht prinzipiell unverständlich sein können und das jedes Mitglied unserer Gesellschaft die Chance haben müsste, diese Gründe nachvollziehen zu können.
Nachvollziehen heißt nicht teilen. Aber der Nachvollzug ist wichtig, weil sonst kein Gespräch in Gang kommt. Und wenn es keine Gespräche mehr gibt, dann herrscht Krieg.
Noch etwas ist bei den letzten drei Teilen vielleicht aufgefallen: dass es mir schwer fällt, ein triftiges, intuitiv einleuchtendes und schlagendes Argument gegen das Handeln der RAF zu finden. Das Winden und Stochern Alenas ist auch mein eigenes. Intiuitiv weiß ich, dass das Vorgehen der RAF falsch ist. Aber ich möchte es auch rational begreifen. Rational bedeutet, durch ein abstraktes Prinzip, begreifen hat die Konnotation des begrifflich Darstellens. Zur Verfügung stehen z.B. Zweck-Mittel-Relation und das Verhältnis zwischen dem Abstrakten und dem Konkreten.
Zur Zweck-Mittel-Relation hat Jan Philipp Reemtsma darauf hingewiesen, dass bei der RAF Ziel und Mittel identisch waren, dass man jedes Mittel für geeignet hielt und das gewählte Ziel zu erreichen. (Ich weiß nicht mehr wo es steht und zitiere jetzt aus dem Kopf, in dem Artikel-Link ist es aber auch noch erwähnt.) Dieses Argument finde ich ziemlich überzeugend.
Und das ist wohl auch der Grund für dieses argumentative Stochern: Wenn man versucht die Gründe nachzuvollziehen, dann konzentriert man sich auf die Ziele, die eine Organisation hat. Und vielleicht sind diese Ziele teilweise gar nicht so abwegig, vielleicht steckt etwas darin, das berührt und nachdenklich macht. Das verunsichert, aber nur so lange, bis man sich klar macht, dass es nicht nur um die Ziele geht, sondern auch oder vor allem um die Mittel, die eben nicht mit den Zielen identisch sind. Die RAF hatte immer die Wahl, sie musste nicht zu den Waffen greifen. In dem Interview, dass in dem Band „Wir waren so unheimlich konsequent“ mit Wiesniewski geführt wurde, wird dieser gefragt, was er der Aktion der Roten Brigaden hält, die den Manager einer Fabrik entführt und dann mit heruntergelassenen Hosen zum Schichtwechsel wieder freigelassen hatten. Ich nehme das hier mal als ein Beispiel, wie es hätte anders laufen können. (S.W. antwortet darauf, dass sich manche Aktionen nicht einfach übertragen lassen. Sicher war zum Zeitpunkt der Schleyer-Entführung der Stresspegel schon zu hoch für solche lässigen Aktionen, aber der Stresspegel ist vor allem so hoch gewesen, weil sich die RAF von Anfang an für die Gewalt entschieden hat.)
Das Verhältnis zwischen einem dem Abstrakten und dem Konkreten kann man wiederum als eine bestimmte Perspektive auf die Zweck-Mittel-Relation verstehen, hier würde ich es jedoch beides auf das Ziel beziehen, auf allgemeine und konkrete Ziele und wie diese zusammenhängen. Es scheint mir sehr realistisch, als Initiative nur konkrete Ziele anzunehmen und konkrete Ziele würde ich definieren als Ziele, die eine begrenzte Reichweite haben. Das muss nicht bedeuten, dass konkrete Ziele immer egoistisch sind, sondern auch das Ziel, einem Anderen zu helfen, kann in diesem Sinne konkret genannt werden. Was jedoch passieren kann ist, dass man seine ganz konkreten Ziele plötzlich ausweitet, auf einen größeren Empfängerkreis oder in die Zukunft hinein. Manchmal verengt man diese Reichweite wieder. Das meinte ich mit der Dynamik der Zielvorgaben, man passt seine Ziele an. Diese Anpassung kann auch darin bestehen, dass man einem Primärziel ein Sekundärziel vorschiebt.
In diesem Fall verändert sich einiges. Zum Beispiel bedarf das Beschreiben der Ziele dann einer anderen Begrifflichkeit: Universalien, Allgemeinbegriffe, wenn es um eine Ausweitung geht. Diese Begrifflichkeit darf nicht beibehalten werden, wenn man das Ziel wieder verengt, wenn man z.B. von der Rettung der Menschheit umschwenkt zur Befreiung von Gefängnisinsassen.
Und dann kann man behaupten, dass sich nicht nur die Beschreibung ändert, sondern auch die Begründung. Auf den ersten Blick scheinen Begründungen von hintereinandergeschalteten Zielen transitiv zu sein: Ziel 1: Rettung der Menschheit. Ziel 2: Befreiung der Gefangenen. Wenn für Ziel 1 gute Gründe genannt werden, verführt die Implikation der Transitivität, dass diese Gründe auch für Ziel 2 gelten. Tatsächlich muss hier jedoch differenziert werden: wie notwendig ist Ziel 2 für die Erreichung von Ziel 1? Wenn diese Notwendigkeit im Fall Hitler-Stauffenberg bejaht werden kann, kann sie im Fall 1. Generation-2.Generation noch lange nicht bejaht werden.
Während die Transitivität von Gründen von der Notwendigkeit der Zielverbindungen abhängt, gibt es m.E. keine Transitivität in der Zweck-Mittel-Relation. Was zum Erreichen des Primärziels vielleicht als Mittel adäquat scheint, ist kein adäquates Mittel für die Erreichung des Sekundärziels. Dieser Gedanke ist dann nichts anderes als die dynamisierte Form des Reemtsma-Arguments „Ziele müssen von Mitteln unterschieden werden“. Was einschließt, dass sowohl Ziele als auch Mittel separat begründet werden müssen.
Damit schließe ich die Hintergrundüberlegungen zu den letzten veröffentlichten Teilen ab und werde mich dann wieder der Handlung widmen, die sich langsam aber sicher ihrem Ende zuneigt.
Zum Abschluss möchte ich noch auf einen guten Artikel in der taz zur aktuellen RAF-Diskussion hinweisen. Ein aufschussreicher Aufsatz zu den oben aufgeworfenen Fragen ist auch "Was heißt -die Geschichte der RAF verstehen-" von Reemtsma in dem Band "Rudi Dutschke, Andreas Baader und die RAF" (sh. Literatursammlung).
Aber tatsächlich ist das doch nur ein Problem, mit dem wir jeden Tag zu kämpfen haben, das wir meistens scheinbar im Schlaf beherrschen und an dem wir manchmal ganz derbe scheitern: das Verstehen Anderer. Die Mitglieder der RAF sind nicht von einem Anderen Stern gekommen, sie sind in unserer Gesellschaft groß geworden. Gerade die RAF setzte sich aus Angehörigen der Mittelschicht zusammen, die größte Gruppe der deutschen Bevölkerung. Leute, die zur RAF gegangen sind, hatten kein spezielles Terroristen-Gen, sind nicht in kriegsähnlichen Zuständen aufgewachsen und hatten keine tendenzielle Terroristen als Eltern. Sie sind aufgewachsen wie so viele in den 60ern. Der einzige Unterschied zum Bürokaufmann, dem Lehrer oder Journalisten der 70er war, dass sie eine Karriere bei der RAF gewählt hatten. Ich möchte damit nur sagen, die Gründe eines Terror-Mitglieds nicht prinzipiell unverständlich sein können und das jedes Mitglied unserer Gesellschaft die Chance haben müsste, diese Gründe nachvollziehen zu können.
Nachvollziehen heißt nicht teilen. Aber der Nachvollzug ist wichtig, weil sonst kein Gespräch in Gang kommt. Und wenn es keine Gespräche mehr gibt, dann herrscht Krieg.
Noch etwas ist bei den letzten drei Teilen vielleicht aufgefallen: dass es mir schwer fällt, ein triftiges, intuitiv einleuchtendes und schlagendes Argument gegen das Handeln der RAF zu finden. Das Winden und Stochern Alenas ist auch mein eigenes. Intiuitiv weiß ich, dass das Vorgehen der RAF falsch ist. Aber ich möchte es auch rational begreifen. Rational bedeutet, durch ein abstraktes Prinzip, begreifen hat die Konnotation des begrifflich Darstellens. Zur Verfügung stehen z.B. Zweck-Mittel-Relation und das Verhältnis zwischen dem Abstrakten und dem Konkreten.
Zur Zweck-Mittel-Relation hat Jan Philipp Reemtsma darauf hingewiesen, dass bei der RAF Ziel und Mittel identisch waren, dass man jedes Mittel für geeignet hielt und das gewählte Ziel zu erreichen. (Ich weiß nicht mehr wo es steht und zitiere jetzt aus dem Kopf, in dem Artikel-Link ist es aber auch noch erwähnt.) Dieses Argument finde ich ziemlich überzeugend.
Und das ist wohl auch der Grund für dieses argumentative Stochern: Wenn man versucht die Gründe nachzuvollziehen, dann konzentriert man sich auf die Ziele, die eine Organisation hat. Und vielleicht sind diese Ziele teilweise gar nicht so abwegig, vielleicht steckt etwas darin, das berührt und nachdenklich macht. Das verunsichert, aber nur so lange, bis man sich klar macht, dass es nicht nur um die Ziele geht, sondern auch oder vor allem um die Mittel, die eben nicht mit den Zielen identisch sind. Die RAF hatte immer die Wahl, sie musste nicht zu den Waffen greifen. In dem Interview, dass in dem Band „Wir waren so unheimlich konsequent“ mit Wiesniewski geführt wurde, wird dieser gefragt, was er der Aktion der Roten Brigaden hält, die den Manager einer Fabrik entführt und dann mit heruntergelassenen Hosen zum Schichtwechsel wieder freigelassen hatten. Ich nehme das hier mal als ein Beispiel, wie es hätte anders laufen können. (S.W. antwortet darauf, dass sich manche Aktionen nicht einfach übertragen lassen. Sicher war zum Zeitpunkt der Schleyer-Entführung der Stresspegel schon zu hoch für solche lässigen Aktionen, aber der Stresspegel ist vor allem so hoch gewesen, weil sich die RAF von Anfang an für die Gewalt entschieden hat.)
Das Verhältnis zwischen einem dem Abstrakten und dem Konkreten kann man wiederum als eine bestimmte Perspektive auf die Zweck-Mittel-Relation verstehen, hier würde ich es jedoch beides auf das Ziel beziehen, auf allgemeine und konkrete Ziele und wie diese zusammenhängen. Es scheint mir sehr realistisch, als Initiative nur konkrete Ziele anzunehmen und konkrete Ziele würde ich definieren als Ziele, die eine begrenzte Reichweite haben. Das muss nicht bedeuten, dass konkrete Ziele immer egoistisch sind, sondern auch das Ziel, einem Anderen zu helfen, kann in diesem Sinne konkret genannt werden. Was jedoch passieren kann ist, dass man seine ganz konkreten Ziele plötzlich ausweitet, auf einen größeren Empfängerkreis oder in die Zukunft hinein. Manchmal verengt man diese Reichweite wieder. Das meinte ich mit der Dynamik der Zielvorgaben, man passt seine Ziele an. Diese Anpassung kann auch darin bestehen, dass man einem Primärziel ein Sekundärziel vorschiebt.
In diesem Fall verändert sich einiges. Zum Beispiel bedarf das Beschreiben der Ziele dann einer anderen Begrifflichkeit: Universalien, Allgemeinbegriffe, wenn es um eine Ausweitung geht. Diese Begrifflichkeit darf nicht beibehalten werden, wenn man das Ziel wieder verengt, wenn man z.B. von der Rettung der Menschheit umschwenkt zur Befreiung von Gefängnisinsassen.
Und dann kann man behaupten, dass sich nicht nur die Beschreibung ändert, sondern auch die Begründung. Auf den ersten Blick scheinen Begründungen von hintereinandergeschalteten Zielen transitiv zu sein: Ziel 1: Rettung der Menschheit. Ziel 2: Befreiung der Gefangenen. Wenn für Ziel 1 gute Gründe genannt werden, verführt die Implikation der Transitivität, dass diese Gründe auch für Ziel 2 gelten. Tatsächlich muss hier jedoch differenziert werden: wie notwendig ist Ziel 2 für die Erreichung von Ziel 1? Wenn diese Notwendigkeit im Fall Hitler-Stauffenberg bejaht werden kann, kann sie im Fall 1. Generation-2.Generation noch lange nicht bejaht werden.
Während die Transitivität von Gründen von der Notwendigkeit der Zielverbindungen abhängt, gibt es m.E. keine Transitivität in der Zweck-Mittel-Relation. Was zum Erreichen des Primärziels vielleicht als Mittel adäquat scheint, ist kein adäquates Mittel für die Erreichung des Sekundärziels. Dieser Gedanke ist dann nichts anderes als die dynamisierte Form des Reemtsma-Arguments „Ziele müssen von Mitteln unterschieden werden“. Was einschließt, dass sowohl Ziele als auch Mittel separat begründet werden müssen.
Damit schließe ich die Hintergrundüberlegungen zu den letzten veröffentlichten Teilen ab und werde mich dann wieder der Handlung widmen, die sich langsam aber sicher ihrem Ende zuneigt.
Zum Abschluss möchte ich noch auf einen guten Artikel in der taz zur aktuellen RAF-Diskussion hinweisen. Ein aufschussreicher Aufsatz zu den oben aufgeworfenen Fragen ist auch "Was heißt -die Geschichte der RAF verstehen-" von Reemtsma in dem Band "Rudi Dutschke, Andreas Baader und die RAF" (sh. Literatursammlung).
Flannery Culp - 11. Mär, 18:17