64: Kooperation

Alena sieht Pia nachdenklich an. Pia redet weiter: „Glauben Sie nicht, dass die Dahlem in der Lage wäre, sich eine Situation zu konstruieren, in der sie sich wieder zu hause fühlt? Brigitte Dahlem hat keine Gegenwart und keine Zukunft. Denken Sie nicht, dass sie versuchen könnte, die Vergangenheit wieder auferstehen zu lassen, das einzige, was sie kennt?“ So etwas wie Sarkasmus taucht in Alenas Gesicht auf und Pia findet, dass ihr das gut steht. „Sie glauben doch, ich habe keine Menschenkenntnis. Warum fragen Sie mich dann, ob ich mir das vorstellen kann?“ Pia lächelt. Dann hebt sie die Hand um dem Kellner zu signalisieren. „Können wir noch zwei Espressi haben?“ Alena protestiert nicht, sie wartet bis der Kellner mit den Tellern verschwunden ist und sagt dann: „Eine Sache ist seltsam. Ich habe mit der Dahlem über Kaspar gesprochen, unter anderem über seinen Wunsch mehr über seine Mutter zu erfahren. Und Frau Dahlem sagte so etwas wie, es wäre besser, wenn er nicht mehr wüsste.“ Sie schaut Pia nachdenklich an. „Wir haben schon mal darüber gesprochen, nicht wahr? Nachdem Sie sich kurzfristig überlegt hatten, mich doch nicht zu erschießen.“ Verlegenheit steigt in Pia auf. Weniger weil sie Alena grob behandelt hat, stattdessen ist es ihr unangenehm, dass sie ihre Wut so offen gezeigt hat. Sie hätte kalt bleiben sollen, zynisch, mit Worten verletzend. Stattdessen ist sie total ausgerastet. „Ich hätte Sie schon nicht erschossen. Sie haben keine Ahnung, mit welchem Papierkram man sich nach Schusswaffengebrauch herumschlagen muss.“ Sie registriert überrascht, dass Alenas Grinsen echt aussieht. „Sind Sie nicht wütend auf mich,“ fragt sie und Alena wirft ihr einen verwunderten Blick zu. „Nein, Sie hatten ja doch einen Grund, sauer auf mich zu sein. Wenn ich auch Ihre Reaktion etwas übertrieben fand. Aber so sind Sie nun mal, glaube ich.“ Sie macht eine kurze Pause in der Pia spürt, dass noch etwas nachkommt. „Sie können nicht akzeptieren, dass jemand andere Motive und Ziele hat als Sie. Sie verabsolutieren Ihre Ziele; damit wird allerdings jeder ein Gegner, der nicht mit Ihnen an diesem einen Strang zieht. Und Sie sind völlig unfähig zur Kooperation. Sie brauchen Leute, die Ihnen zuarbeiten, aber auf keinen Fall gleichwertige Kollegen. Das ist auch nicht immer der beste Ansatz.“ Pia wirft zwei Stücke Zucker in den Espresso, der jetzt vor ihr steht, und verrührt ihn sorgfältig. Alena beobachtet, wie die hellbraune Crema sich langsam auflöst. „Sie haben natürlich Recht,“ sagt Pia. „Ich mache mir das Leben schwer mit meiner Art. Riesel wird mich über die Klippe schubsen, sobald er die Gelegenheit dazu hat. Meine Kollegen würden mir am liebsten Strychnin in den Kaffee kippen. Und Oberdorf zählt wahrscheinlich die Tage bis zu seiner Pensionierung, weil sich dann sein Nachfolger mit mir herumschlagen muss. Ich hätte schon längst befördert werden können, wenn ich nur etwas netter wäre.“ Sie sieht Alena mit einem ungewohnt offenen Lächeln an. „Aber ich arbeite nun mal mit Vollidioten zusammen und sehe nicht ein, warum ich diesen Umstand vertuschen soll, nur damit sie mich auf dem Flur grüßen. Ich kann nett sein. Wenn jemand es wert ist, dass ich nett zu ihm bin.“ Pia bemerkt, dass Faszination in Alenas Gesicht aufscheint und sagt schnell: „Aber ich habe keine Lust, in Ihrem Kuriositätenkabinett aufzutauchen.“ Die Frauen grinsen sich an und trinken simultan ihren Kaffee aus. „Aber jetzt reden wir noch mal über Marianne Wagenbach. Sie sind sich jetzt also sicher, dass meine Vermutung von damals stimmt,“ fragt Pia und stellt plötzlich fest, dass ihre Ressentiments gegen Alena sich in Luft aufgelöst haben.

Alena scheint zu spüren, dass Pias Einstellung ihr gegenüber sich geändert hat, denn sie nickt fast übereifrig. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass Brigitte Dahlem etwas über Marianne Wagenbach weiß, dass in ihren Augen nicht besonders positiv ist.“ Ihr Gesicht verdüstert sich wieder. „Allerdings habe ich nicht die leiseste Ahnung, was das sein kann.“ Pia zögert noch einen Moment, dann hebt sie ihre elegante schwarze Handtasche von dem Stuhl neben ihr und öffnet sie. „Vielleicht kann ich es Ihnen sagen.“

das Projekt Krimi-Blog

AUS DEN CHAOTISCHEN WINDUNGEN EINES KRIMIVERSEUCHTEN HIRNS BOHRT SICH EIN WEITERER ROMAN AN DIE DIGITALE OBERFLÄCHE EINES BLOGS. WIE SCHON IM VORGÄNGER „ZAHLEN UND ZEICHEN“ SOLL DAS SCHREIBEN EINES KRIMINALROMANS MIT DER PRAXIS DES BLOGGENS VERBUNDEN WERDEN. DAS BEDEUTET, DASS DER PLOT IN DEN GRUNDZÜGEN FESTSTEHT, DER KRIMI JEDOCH NICHT BEREITS FIX UND FERTIG IN DER SCHUBLADE LIEGT, SONDERN SICH IM SCHREIBEN ENTWICKELT. WAS GESCHRIEBEN WIRD, WIRD KURZ DARAUF GEBLOGGT, IST DAMIT FAKTISCH, UND WIRD NUR IN AUSNAHMEFÄLLEN (SEHR PEINLICHE TIPPFEHLER) GEÄNDERT. ERGÄNZT WIRD DAS GANZE DURCH METATEXT UND LINKS. EUCH UND MIR ALSO VIEL SPAß BEI „SPUREN UND STERNE“.

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