Mohnhaupt und Klar
Die mögliche Freilassung von Brigitte Mohnhaupt und das Gnadengesuch von Christian Klar soll natürlich auch hier kurz angesprochen werden. Aus meiner Sicht lassen sich drei Momente unterscheiden:
die Fakten: Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar waren jeweils zu fünfmal lebenslanger Haft und zusätzlich 15 Jahre Freiheitsstrafe verurteilt worden, von denen Mohnhaupt mindestens 24 Jahre und Klar mindestens 26 Jahre absitzen mussten. Im Fall von Frau Mohnhaupt läuft diese Zeit Ende März ab, während Klar im Normalfall noch bis Januar 2009 einsitzen muss. Frau Mohnhaupt hat einen Antrag auf Strafaussetzung gestellt, der für sie gesetzlich möglich ist, woraufhin die Staatsanwaltschaft beantragte die Strafe zur Bewährung auszusetzen. Herr Klar muss dagegen ein Gnadengesuch beim Bundespräsidenten einreichen, was er allerdings schon vor vier Jahren getan hat. Der damalige Bundespräsident Rau ignorierte das Gesuch.
der moralische Aspekt: wie weit reicht der moralische Aspekt? Die Fälle Mohnhaupt und Klar müssen rechtlich unterschieden werden, aber die Frage die nicht nur die Angehörigen der Opfer sondern auch einige Politiker stellen, zielt darauf, ob Mohnhaupt und Klar für ihre Taten öffentlich Reue zeugen sollen. Oder ob sie mit bisher unbekannten Fakten herausrücken sollen, was z.B. den konkreten Täter beim Mord an Generalbundesanwalt Buback angeht oder bei der Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Schleyer – und das ist schon wieder eine ganz andere Geschichte, die eher an Marktwirtschaft als an Moral erinnert.
Generell ist es sicher nicht falsch zu behaupten, dass Mohnhaupt und Klar die gleichen gesetzlichen Möglichkeiten erhalten sollten wie andere Verbrecher auch. Da der Staat die RAF-Gefangenen nie als politische Gefangene behandeln wollte, wie vor allem von der ersten Generation gefordert, sondern sie immer als „normale“ Mörder behandelte, ist es nur konsequent wenn man ihnen jetzt auch die Instrumente des Rechtsstaats bereitstellt. Bis zu diesem Punkt ist die öffentliche Moral dem Gesetz eher untergeordnet. Was Frau Mohnhaupt angeht, hat sie zum jetzigen Zeitpunkt unter bestimmten Bedingungen Anspruch auf vorzeitige Haftentlassung, die sie offenbar erfüllt hat. Was in diesem Zusammenhang den Reue-Gedanken angeht: Ich habe keine Ahnung, ob in anderen Fällen eines Antrags auf vorzeitiger Strafentlassung ein Ausdruck von Reue erwartet wird. Wahrscheinlich wird ein solcher eher vom Antragsteller aus taktischen Gründen angeboten, ohne dass er ernst gemeint wird. Und vielleicht wiegt bei einer Entscheidung über den Antrag auch das Ergebnis des Gutachtens, dass Rückfälligkeit ausgeschlossen ist, weitaus mehr.
Während der Fall Mohnhaupt rechtlich auch ohne moralische Wertung entschieden werden könnte, liegt das bei Herrn Klar deutlich anders. Die Entscheidung auf Begnadigung liegt bei Bundespräsident Köhler und der hat einen ganz anderen Ermessensspielraum. Bei jedem Gnadengesuch muss sicherlich zwischen der Trauer der Angehörigen und dem Wunsch auf ein Leben in Freiheit der Täter abgewogen werden. Hier liegt der Fall noch etwas anderes: die RAF verstand sich als Gegner des Staates und daher kommt bei diesem besonderen Fall so etwas wie die historische und politische Entwicklung der Bundesrepublik ins Spiel. Das geht so weit, dass selbst das Selbstverständnis der Republik berührt wird: ängstlicher Polizeistaat oder souveräner Rechtsstaat. Im Fall der RAF waren eben nicht „nur“ Individuen betroffen, sondern Hauptgegner war die Bundesregierung und darüber hinaus die Staatsform der Bundesrepublik. Daher entscheidet Köhler nicht nur für Privatpersonen sondern auch für den Staat an sich. Im Rahmen dieser Diskussion erhält die RAF indirekt eine politische Bedeutung, die weitaus relevanter scheint als es die pseudo-politischen Erklärungen der 70er und 80er jemals sein konnten.
das gesellschaftliche Phänomen: finde ich persönlich am interessantesten. Die Wellen schlagen hoch. In diversen online Zeitungsartikeln, wird die Zeitgeschichte unter dem Teppich hervorgeholt und stellt sich als relativ aktuell heraus. Der Deutsche Herbst scheint nie ganz in den Keller getragen worden zu sein, sondern lag immer noch in Reichweite und konnte schnell wieder hervorgeholt werden. Wie ein Buch, das man immer noch nicht ausgelesen hat. Dazu werden scharfe Geschütze bei den Leser-Kommentatoren aufgeboten: neben den Nazi-Vergleichen (nur Hess hat länger gesessen…), scheinen latente Sympathien auf, oder es gibt moralische Schlammschlachten. Schließlich müssen auch die Personen im näheren oder weiteren Umkreis der RAF ihre Meinung äußern (dürfen), so z.B. „Talkshow-Tanzbär“ Peter Jürgen Boock oder Bettina Röhl
Jeder scheint einen dezidierten Standpunkt zu diesem Thema zu haben, was darauf hindeutet, dass diese Frage im höchsten Maße polarisiert. Die Sensibilität für dieses Stückchen Zeitgeschichte ist auffällig.
Vielleicht dazu später mehr, jetzt muss ich leider ganz dringend Terroristenjäger Jack Bauer sehen.
die Fakten: Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar waren jeweils zu fünfmal lebenslanger Haft und zusätzlich 15 Jahre Freiheitsstrafe verurteilt worden, von denen Mohnhaupt mindestens 24 Jahre und Klar mindestens 26 Jahre absitzen mussten. Im Fall von Frau Mohnhaupt läuft diese Zeit Ende März ab, während Klar im Normalfall noch bis Januar 2009 einsitzen muss. Frau Mohnhaupt hat einen Antrag auf Strafaussetzung gestellt, der für sie gesetzlich möglich ist, woraufhin die Staatsanwaltschaft beantragte die Strafe zur Bewährung auszusetzen. Herr Klar muss dagegen ein Gnadengesuch beim Bundespräsidenten einreichen, was er allerdings schon vor vier Jahren getan hat. Der damalige Bundespräsident Rau ignorierte das Gesuch.
der moralische Aspekt: wie weit reicht der moralische Aspekt? Die Fälle Mohnhaupt und Klar müssen rechtlich unterschieden werden, aber die Frage die nicht nur die Angehörigen der Opfer sondern auch einige Politiker stellen, zielt darauf, ob Mohnhaupt und Klar für ihre Taten öffentlich Reue zeugen sollen. Oder ob sie mit bisher unbekannten Fakten herausrücken sollen, was z.B. den konkreten Täter beim Mord an Generalbundesanwalt Buback angeht oder bei der Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Schleyer – und das ist schon wieder eine ganz andere Geschichte, die eher an Marktwirtschaft als an Moral erinnert.
Generell ist es sicher nicht falsch zu behaupten, dass Mohnhaupt und Klar die gleichen gesetzlichen Möglichkeiten erhalten sollten wie andere Verbrecher auch. Da der Staat die RAF-Gefangenen nie als politische Gefangene behandeln wollte, wie vor allem von der ersten Generation gefordert, sondern sie immer als „normale“ Mörder behandelte, ist es nur konsequent wenn man ihnen jetzt auch die Instrumente des Rechtsstaats bereitstellt. Bis zu diesem Punkt ist die öffentliche Moral dem Gesetz eher untergeordnet. Was Frau Mohnhaupt angeht, hat sie zum jetzigen Zeitpunkt unter bestimmten Bedingungen Anspruch auf vorzeitige Haftentlassung, die sie offenbar erfüllt hat. Was in diesem Zusammenhang den Reue-Gedanken angeht: Ich habe keine Ahnung, ob in anderen Fällen eines Antrags auf vorzeitiger Strafentlassung ein Ausdruck von Reue erwartet wird. Wahrscheinlich wird ein solcher eher vom Antragsteller aus taktischen Gründen angeboten, ohne dass er ernst gemeint wird. Und vielleicht wiegt bei einer Entscheidung über den Antrag auch das Ergebnis des Gutachtens, dass Rückfälligkeit ausgeschlossen ist, weitaus mehr.
Während der Fall Mohnhaupt rechtlich auch ohne moralische Wertung entschieden werden könnte, liegt das bei Herrn Klar deutlich anders. Die Entscheidung auf Begnadigung liegt bei Bundespräsident Köhler und der hat einen ganz anderen Ermessensspielraum. Bei jedem Gnadengesuch muss sicherlich zwischen der Trauer der Angehörigen und dem Wunsch auf ein Leben in Freiheit der Täter abgewogen werden. Hier liegt der Fall noch etwas anderes: die RAF verstand sich als Gegner des Staates und daher kommt bei diesem besonderen Fall so etwas wie die historische und politische Entwicklung der Bundesrepublik ins Spiel. Das geht so weit, dass selbst das Selbstverständnis der Republik berührt wird: ängstlicher Polizeistaat oder souveräner Rechtsstaat. Im Fall der RAF waren eben nicht „nur“ Individuen betroffen, sondern Hauptgegner war die Bundesregierung und darüber hinaus die Staatsform der Bundesrepublik. Daher entscheidet Köhler nicht nur für Privatpersonen sondern auch für den Staat an sich. Im Rahmen dieser Diskussion erhält die RAF indirekt eine politische Bedeutung, die weitaus relevanter scheint als es die pseudo-politischen Erklärungen der 70er und 80er jemals sein konnten.
das gesellschaftliche Phänomen: finde ich persönlich am interessantesten. Die Wellen schlagen hoch. In diversen online Zeitungsartikeln, wird die Zeitgeschichte unter dem Teppich hervorgeholt und stellt sich als relativ aktuell heraus. Der Deutsche Herbst scheint nie ganz in den Keller getragen worden zu sein, sondern lag immer noch in Reichweite und konnte schnell wieder hervorgeholt werden. Wie ein Buch, das man immer noch nicht ausgelesen hat. Dazu werden scharfe Geschütze bei den Leser-Kommentatoren aufgeboten: neben den Nazi-Vergleichen (nur Hess hat länger gesessen…), scheinen latente Sympathien auf, oder es gibt moralische Schlammschlachten. Schließlich müssen auch die Personen im näheren oder weiteren Umkreis der RAF ihre Meinung äußern (dürfen), so z.B. „Talkshow-Tanzbär“ Peter Jürgen Boock oder Bettina Röhl
Jeder scheint einen dezidierten Standpunkt zu diesem Thema zu haben, was darauf hindeutet, dass diese Frage im höchsten Maße polarisiert. Die Sensibilität für dieses Stückchen Zeitgeschichte ist auffällig.
Vielleicht dazu später mehr, jetzt muss ich leider ganz dringend Terroristenjäger Jack Bauer sehen.
Flannery Culp - 24. Jan, 21:08