30: Fragen und Antworten

Nach dem Telefonat macht Alena sich einen schwarzen Tee, als erneut das Telefon klingelt. Sie steht einen Moment bewegungslos im Raum, bevor sie erneut den Hörer aufnimmt. „Kaspar hier. Alles klar bei Dir?“ – „Warte mal kurz.“ Sie holt den Tee aus der Küche und setzt sich vorsichtig mit der Tasse in der einen und dem Hörer in der anderen Hand in das dunkelbraune Ledersofa. „Warum rufst Du an,“ sagt sie in den Hörer. „Ich wollte nur wissen, ob alles in Ordnung ist. Du hast gestern etwas durcheinander gewirkt.“ Kaspars Stimme klingt vorwurfsvoll. Macht er sich Gedanken um sie, macht er sich Sorgen? Ihr gefällt dieser Gedanke nicht. Es darf nicht erneut zu der Situation kommen, vor der sie damals geflohen ist. Nein, sie ist nicht geflohen, sie hat sich zurückgezogen. Hätte sie aus Altenburg wegziehen sollen? „Bist du noch dran?“ Alena ruft sich in Erinnerung, dass sie ein Telefonat führt. „Die Kripo-Beamtin hat angerufen. Ich habe ihr von dem Treffen erzählt und sie will, dass wir so bald als möglich ein neues Treffen vereinbaren. Sie hat Fragen, auf die sie sofort eine Antwort haben muss.“ Sie hört Kaspar durch das Telefon pfeifen, während sie einen Schluck Tee trinkt. Er schmeckt bitter, weil sie den Zucker vergessen hat. „Ich wollte eigentlich ein paar Tage verstreichen lassen. Es ist nicht gut, wenn sie das Gefühl bekommt, wir bedrängen sie.“ Dann fügt er hinzu: „Was sind das für Fragen?“ Alena stellt den Tee auf einen Stapel Bücher auf dem kleinen Beistelltisch aus Mahagoni. „Kennst Du die Spitznamen Kippe und Kennedy? Sie will wissen, um wen es sich dabei handelt. Sie vermutet, dass es Kurznamen für die beiden anderen männlichen Mitglieder des Kommandos sind, deren Namen ich vergessen habe.“ Kaspar überlegt kurz. „In diesem Fall würde ich sagen, Kippe ist Burg und Kennedy ist Koch.“ Verblüfft fragt Alena: „Wie kommt du darauf?“ Sie sieht Kaspar lächeln, als er ihr erklärt: „Vielleicht kann man das als eine Art RAF-Humor bezeichnen. Als der Mord an Siegfried Buback, der damalige Generalbundesanwalt, geplant wurde, nannte man die Operation „Margarine“, weil seine Initialen SB auch der Name einer Margarine-Marke sind. Hans-Joachim Burgs Initialen sind kurz HB, die Zigarettenmarke, also Kippe. Und Kennedy passt ganz gut zu Koch, weil er Robert hieß, wie Bobby Kennedy. Außerdem war sein Vater so reich wie ein Kennedy.“ Alena grinst entzückt. „Das ist echt überzeugend. Am besten rufe ich sie gleich an und erzähle es ihr. Dann haben wir wieder etwas Luft für das nächste Treffen mit Brigitte Dahlem.“ – „Moment mal,“ wirft Kaspar hastig ein. „Wie willst Du ihr erklären, wie du zu dieser Erkenntnis kommst?“ – „Ich sage die Wahrheit, nämlich dass ich dich gefragt habe. Du bist der Spezialist, du kannst solche Sachen wissen.“ Kaspar grummelt durch den Hörer. „Das gefällt mir nicht. Nachher denkt sie noch, ich stecke mit den Dreien unter einer Decke. Vielleicht glaubt sie, es ist keine Schlussfolgerung sondern Insiderwissen.“ Alena runzelt die Stirn. „Mir wäre es lieber, wir können sie erst mal mit dieser Information abspeisen. Du kennst sie nicht, Kaspar. Sie ist absolut determiniert. Sie wird keine Ruhe geben, bevor wir Frau Dahlem nicht zum nächsten Treffen gebeten haben. Und wie willst Du Frau Dahlem die Notwendigkeit dieser Frage erklären? Das geht doch weit über die Informationen hinaus, die man für das Schreiben eines Buchs über Terrorismustheorien benötigt.“ Sie seufzt. „Sie will außerdem wissen, ob Frau Dahlem Kontakt zu ihren alten Bekannten, Burg und Koch hatte, und ob Schwarz sich bei ihr gemeldet hat. Er hat lt. ihren Ermittlungen gewusst, wo sie wohnt.“ Kaspar meint abwertend: „Es kann nicht schwer gewesen sein herauszufinden, wo sie wohnt. Sie steht zwar nicht im Telefonbuch, aber sie ist gemeldet.“ Er macht eine kurze Pause. „Viel interessanter ist, wo Burg und Koch sind. So viel wie ich weiß, ist Koch damals mit Marianne in die DDR geflohen.“ Alena stolpert über die Erwähnung seiner Mutter, es ist ungewohnt, ihren Namen aus seinem Mund zu hören. Aber wie soll er sie sonst nennen? Die Bezeichnung Mutter wäre sicherlich fehl am Platz. Dann konzentriert sie sich erneut auf seine Ausführungen: „Danach ist er verschwunden. Sein Vater ist, wie gesagt, reich, er ist irgendein Banker und hat viele Kontakte. Vermutlich hat er ihn wieder aus dem Osten geholt und jetzt sitzt Koch irgendwo unter falschem Namen. Vielleicht ist Koch aber auch in den Nahen Osten, um da so richtig Revolution zu machen.“ Alena trinkt erneut einen Schluck Tee und verzieht das Gesicht. Nun ist er nicht nur bitter, sondern auch lauwarm. „Burg ist nach der Entlassung ebenfalls verschwunden. Ich glaube, er hat kurz in Hamburg gewohnt, aber dort ist er nicht mehr.“ – „Woher weißt Du das alles,“ fragt Alena stirnrunzelnd. Ihre bösen Erwartungen werden bestätigt. „Ich habe mir einfach überlegt, wo Burg und Dahlem nach der Entlassung hin ziehen könnten. Dann habe ich ein paar Meldeämter angerufen und mich als Sachbearbeiter der Arbeitsgemeinschaft Sozialhilfe ausgegeben. In den meisten Fällen wollte man mir nur auf schriftliche Anfrage Auskunft geben, aber wenn man ein bisschen nett quatscht und über die viele Arbeit und die Hartz-IV-Empfänger stöhnt, dann klappt es oft doch. Auf diese Weise habe ich z.B. erfahren, dass Brigitte Dahlem Stütze erhält, dass sie in Köln gemeldet war, bevor sie nach Weißbach gezogen ist, und dass Burg in Hamburg gemeldet ist, aber die Wohnung leer steht,“ erzählt Kaspar leichtfertig. Alena seufzt. „Ich hätte besser nicht fragen sollen.“ Er lacht. „Das ist doch alles halb so wild. Ich nutze diese Informationen schließlich nur für Privatzwecke.“ – „Du wusstest auch, wo Schwarz wohnt,“ rutscht es Alena heraus. „Klar,“ kommt es prompt von Kaspar. Dann kurze Stille in der Leitung. „Aber nicht, weil ich nachgeforscht habe, sondern weil er in und wieder in der Zeitung stand.“ Alena bereut ihre Frage bereits. Kaspar hat nichts mit Schwarz´ Tod zu tun, sagt sie sich wiederholt. Gleichzeitig geht ihr der Gedanke durch den Kopf, dass sie sich anscheinend doch immer wieder davon überzeugen muss. Weil sie es insgeheim doch glaubt? „Gut,“ sagt sie jetzt. „Kann ich sie anrufen? Die Kripo-Beamtin?“ Kaspar zögert, angesichts des kurzfristigen Themenwechsels. Dann murmelt er: „OK. Aber sei vorsichtig. Wie das auch immer aussehen könnte.“

das Projekt Krimi-Blog

AUS DEN CHAOTISCHEN WINDUNGEN EINES KRIMIVERSEUCHTEN HIRNS BOHRT SICH EIN WEITERER ROMAN AN DIE DIGITALE OBERFLÄCHE EINES BLOGS. WIE SCHON IM VORGÄNGER „ZAHLEN UND ZEICHEN“ SOLL DAS SCHREIBEN EINES KRIMINALROMANS MIT DER PRAXIS DES BLOGGENS VERBUNDEN WERDEN. DAS BEDEUTET, DASS DER PLOT IN DEN GRUNDZÜGEN FESTSTEHT, DER KRIMI JEDOCH NICHT BEREITS FIX UND FERTIG IN DER SCHUBLADE LIEGT, SONDERN SICH IM SCHREIBEN ENTWICKELT. WAS GESCHRIEBEN WIRD, WIRD KURZ DARAUF GEBLOGGT, IST DAMIT FAKTISCH, UND WIRD NUR IN AUSNAHMEFÄLLEN (SEHR PEINLICHE TIPPFEHLER) GEÄNDERT. ERGÄNZT WIRD DAS GANZE DURCH METATEXT UND LINKS. EUCH UND MIR ALSO VIEL SPAß BEI „SPUREN UND STERNE“.

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