Mittwoch, 22. November 2006

sternkleinsternkleinsternklein

34: Autobahnraststätte

Der Parkplatz an der Autobahnraststätte ist in mildes Abendlicht getaucht. Das laute Fahrgeräusch wird von ein paar Bäumen gedämpft, die lustlos am Rand der Autobahn vor sich hinwachsen. Hinter Pia laufen müde LKW-Fahrer und ältere Ehepaare durch die Glastür der Raststätte. Vor ihr beginnt ein kleines Waldstück, das in einem Feld ausläuft. Unter einem der Bäume liegt die Leiche von Hans-Joachim Burg. Pia geht einen Schritt näher an die Gestalt heran, die auf der braunen krümeligen Erde liegt. Das Gesicht des Toten ist mit einer Seite in die trockene Erde gedrückt, die andere Seite ist dem Betrachter zugedreht, ein blickloses Auge starrt ins Nichts. Er trägt Jeans und ein graues T-Shirt, von dem sich zwei blutverkrustete Löcher abheben. „Von vorn erschossen,“ meint Lang von der Spurensicherung, den sie gleich mitgebracht haben und der zu Pias Leidwesen die ganze Fahrt über ein angeregtes Gespräch mit Riesel über Geländewagen geführt hat. Nun kniet er sich neben die Leiche und öffnet seinen Metallkoffer. Pia sieht Riesel mit gesenktem Kopf durch die Bäume laufen, in der Hoffnung, irgendeine Spur zu erspähen. „Wie lange liegt er hier schon? Können Sie eine Vorabprognose machen, wann er getötet wurde?“ Lang hebt den Kopf und sieht sie unbewegt an. „Er wurde Dienstag Nacht um exakt 11.34 getötet.“ Ohne zu lachen fährt er fort: „Das wollen Sie doch hören, oder? Vergessen Sie´s. Ich mache keine Prognosen, die ich dann wieder zurücknehmen muss und auf die Sie mich festnageln.“ – „Himmel, jetzt seien Sie doch nicht so schwierig,“ murmelt Pia. „Ich will doch nur wissen, ob er heute oder gestern erschossen wurde. Und ich nagele Sie auf gar nichts fest.“ Lang macht einen misstrauischen Eindruck. Dann bequemt er sich dazu: „Heute nicht, eher gestern,“ zu brummeln. Der Wind geht frisch hier, außerhalb der Stadt. Langsam wird das Sonnenlicht fade, es ist sechs Uhr. Pia geht langsam auf Kommissar Bennemann zu, der sich mit dem Kollegen unterhält, mit dem er unterwegs war, als die Leiche von einem älteren Autofahrer gefunden wurde, dem die kleine Schlange vor den Toiletten zu lang gewesen war. Die beiden lachen, hören aber abrupt auf, als Pia sich nähert. Unfreundlich mustert Bennemann sie. Er ist ein schlanker großer Typ in den 40ern. „Und, sind Sie zuständig?“ Pia verzieht keine Miene. Genauso unfreundlich erwidert sie: „Ist der Fahrer noch da, der beinahe auf die Leiche gepinkelt hat?“ Bennemann schüttelt den Kopf, während sein Kollege ihr neugierige Blicke zuwirft. „Wir haben seine Aussage aufgenommen und dann durfte er weiterfahren. Er hat die Leiche gefunden, nichts angerührt und die Polizei gerufen. Ende der Geschichte.“ – „Wann die Geschichte zu ende ist, bestimme ich. Das ist mein Fall,“ erklärt Pia kalt. Bennemann starrt sie an. „Schon gut,“ murmelt er. Dann in Richtung seines Kollegen: „Oh Mann, Müller hat nicht übertrieben.“ Der dunkelhaarige, etwas beleibte Kollege grinst und Pia ahnt, dass sie hier keinen leichten Stand hat. „Gibt es sonst noch etwas, das Sie für erwähnenswert halten,“ fragt sie mit einem höhnischen Unterton. Bennemann schüttelt den Kopf. „Wir sind sofort hergefahren, als wir den Funkspruch gehört haben. Der Zeuge stand ein paar Meter vor dem Waldstück und war ziemlich bleich. Wir haben uns die Leiche näher angesehen und dann ist meinem Kollegen die Fahndung eingefallen, die uns noch erreichte, bevor wir losgefahren sind. Wir dachten, dass das ja wohl ein Scheißzufall wäre, wenn wir hier wirklich den Gesuchten finden, aber genau das war es. Wir haben die Leiche nicht angerührt, wir konnten ihn auch so identifizieren.“ Pia nickt und geht zurück zu Lang. „Und?“ Genervt blickt Lang erneut hoch. „Was, und? Wollen Sie jetzt von mir den Namen des Mörders?“ Sie zuckt mit den Achseln. „Schöne Abwechslung, wenn Sie auch mal ein schnelles Ergebnis liefern.“ Ohne ein weiteres Wort beugt sich Lang wieder über seine Leiche. Als Pia sich umdreht, sieht sie zwei Männer mit einer Trage auf sich zukommen. Lang wendet sich ihnen zu. „Ich bin fertig, Sie können ihn einpacken.“ Seite an Seite sehen Pia und Riesel zu, wie Burg in den schwarzen Plastiksack gepackt und auf der Trage zum Combi gebracht wird, der in der Nähe parkt. Mittlerweile haben sich ein paar Neugierige vor der Raststätte versammelt, aber niemand nähert sich Bennemann und seinem Kollegen um sie auszufragen. Leichen an Autobahnraststätten sind nicht die Ereignisse, die ausufernde Fragen aufwerfen.

das Projekt Krimi-Blog

AUS DEN CHAOTISCHEN WINDUNGEN EINES KRIMIVERSEUCHTEN HIRNS BOHRT SICH EIN WEITERER ROMAN AN DIE DIGITALE OBERFLÄCHE EINES BLOGS. WIE SCHON IM VORGÄNGER „ZAHLEN UND ZEICHEN“ SOLL DAS SCHREIBEN EINES KRIMINALROMANS MIT DER PRAXIS DES BLOGGENS VERBUNDEN WERDEN. DAS BEDEUTET, DASS DER PLOT IN DEN GRUNDZÜGEN FESTSTEHT, DER KRIMI JEDOCH NICHT BEREITS FIX UND FERTIG IN DER SCHUBLADE LIEGT, SONDERN SICH IM SCHREIBEN ENTWICKELT. WAS GESCHRIEBEN WIRD, WIRD KURZ DARAUF GEBLOGGT, IST DAMIT FAKTISCH, UND WIRD NUR IN AUSNAHMEFÄLLEN (SEHR PEINLICHE TIPPFEHLER) GEÄNDERT. ERGÄNZT WIRD DAS GANZE DURCH METATEXT UND LINKS. EUCH UND MIR ALSO VIEL SPAß BEI „SPUREN UND STERNE“.

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