108: Flucht nach vorn

Einen Moment hocken sie nebeneinander. Dann flüstert Brigitte Dahlem: „Ich schleiche mich jetzt an und Sie bleiben hier. Leise.“ Alena beobachtet mit klopfendem Herzen, wie die dunkle Gestalt geduckt auf den Wagen zuläuft. Dann geht alles sehr schnell. Frau Dahlem reißt die Beifahrertür auf und lässt sich auf den Sitz fallen, die gezogene Waffe blitzt im Licht der Straßenlampe auf. Alenas Hand fährt zu ihrem Mund und unterdrückt einen Aufschrei. Plötzlich ist sie sicher, dass Brigitte Dahlem schießen wird, dass sie von Anfang an vorhatte, den Fahrer des Wagens zu töten. Aber nichts passiert, kein Schuss durchbricht die stille Dunkelheit. Alena hört ihr Blut in den Ohren rauschen, es ist lauter als das Flüstern, das aus dem Wagen zu ihr dringt.

Sie versucht sich zu konzentrieren. „…bist es also. Was willst du hier? Warum stehst du jede Nacht vor meiner Wohnung,“ versteht sie mühsam. Erkennen kann sie nichts außer dem Rücken der Dahlem, der in der geöffneten Wagentür sichtbar ist. Eine Männerstimme antwortet. Fast unhörbar. Alena kriecht einen Meter nach vorne, jetzt ist sie direkt neben der Mülltonne, noch im Schatten, aber nicht mehr hinter der Mauer. „… mich in Ruhe! Was wollt ihr alle von mir? Ich habe es satt!“ Die männliche Stimme ist lauter geworden, panischer. Brigitte Dahlem lässt ein trockenes Lachen hören. „Was heißt hier, wir sollen dich in Ruhe lassen? Und wen meinst du mit Wir? Es gibt kein Wir mehr.“ Ihre Stimme bekommt einen drohenden Ton. „Oder hast du mit Hajo gesprochen?“ Alena kann keine Antwort hören und überlegt ob sie es wagen kann, noch weiter nach vorn zu krabbeln.

Plötzlich legt sich eine Hand auf ihren Mund und eine Stimme flüstert in ihr Ohr: „Ich bins, Pia. Nicht schreien, Alena.“ Alena gibt einen erstickten Laut von sich und ringt nach Luft, als die Hand weggenommen wird. Schnell dreht sie sich um. „Was zum Teufel machen Sie hier,“ zischt Pia wütend, noch bevor Alena etwas sagen kann. „Und was zum Teufel macht die Dahlem da? Will sie abgeknallt werden?“ – „Sie hat eine Waffe,“ wispert Alena nervös und beobachtet gebannt, wie Pias Gesichtsausdruck sich verändert. Die Zornesfalte verschwindet und macht purer Besorgnis Platz. „Verflucht,“ murmelt Pia. „Verflucht.“ – „Haben Sie denn nicht auch eine Dienstwaffe…,“ beginnt Alena, aber die Worte bleiben ihr im Hals stecken, als Pia mit starrem Gesicht verneint. „Zu hause,“ murmelt sie. „Ich dachte nicht, dass ich sie brauchen würde. Ich wollte eigentlich nur nach dem Rechten sehen. Aber als ich die Straße entlang gefahren bin, habe ich die Bewegung hier an den Containern gesehen.“ Sie wird wieder wütend. „Was haben Sie sich dabei gedacht? Und warum haben Sie mich nicht angerufen?“ – „Ich wollte Sie anrufen,“ flüstert Alena hastig. „Aber vorher musste sich Frau Dahlem vergewissern, wer da im Auto sitzt und ob sie sich nicht alles eingebildet hat.“ Etwas verlegen fügt sie hinzu: „Und ich habe kein Handy.“ Fassungslos starrt Pia sie an, dann schüttelt sie den Kopf und flüstert: „Hätte ich mir eigentlich denken können. Wozu braucht man ein Handy, wenn man in der Parallelwelt lebt.“

Sie zeigt auf den Wagen. „Was ist da los? Wer ist der Fahrer?“ Hilflos antwortet Alena: „Ich kann nichts erkennen. Es ist allerdings ein Mann. Und Frau Dahlem vermutet, dass es Robert Koch ist.“ – „Das vermute ich allerdings auch,“ sagt Pia grimmig. „Allerdings heißt Robert Koch jetzt Dr. Roland Krause.“ Alenas neugieriger Blick wird ignoriert. „Jetzt seien Sie leise, sonst kann ich nicht verstehen, was sie sagen.“ Dicht aneinandergedrängt horchen sie in Richtung Wagen und vernehmen gerade noch Brigitte Dahlems Stimme: „… war mit Hajo? Hajo ist tot und ich möchte verdammt noch mal wissen, wer das war!“ Unterdrückte Wut begleitet die Worte und Pia und Alena erfassen fast gleichzeitig den Ernst der Lage. Pia reißt ihr Handy heraus und drückt es Alena in die Hand. „Rufen Sie die 101 und erklären Sie ihnen, wo wir sind und dass ich Verstärkung brauche. Sofort.“ Dann springt sie auf und läuft auf den Wagen zu.

das Projekt Krimi-Blog

AUS DEN CHAOTISCHEN WINDUNGEN EINES KRIMIVERSEUCHTEN HIRNS BOHRT SICH EIN WEITERER ROMAN AN DIE DIGITALE OBERFLÄCHE EINES BLOGS. WIE SCHON IM VORGÄNGER „ZAHLEN UND ZEICHEN“ SOLL DAS SCHREIBEN EINES KRIMINALROMANS MIT DER PRAXIS DES BLOGGENS VERBUNDEN WERDEN. DAS BEDEUTET, DASS DER PLOT IN DEN GRUNDZÜGEN FESTSTEHT, DER KRIMI JEDOCH NICHT BEREITS FIX UND FERTIG IN DER SCHUBLADE LIEGT, SONDERN SICH IM SCHREIBEN ENTWICKELT. WAS GESCHRIEBEN WIRD, WIRD KURZ DARAUF GEBLOGGT, IST DAMIT FAKTISCH, UND WIRD NUR IN AUSNAHMEFÄLLEN (SEHR PEINLICHE TIPPFEHLER) GEÄNDERT. ERGÄNZT WIRD DAS GANZE DURCH METATEXT UND LINKS. EUCH UND MIR ALSO VIEL SPAß BEI „SPUREN UND STERNE“.

Und hier gehts zum Anfang

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Archivierung Ihres Blog-Krimis,...
Das Deutsche Literaturarchiv verfolgt mit Interesse...
Jochen Walter (Gast) - 26. Feb, 11:52
Off topic: Anfrage des...
Das Deutsche Literaturarchiv verfolgt mit Interesse...
Jochen Walter - 25. Mai, 13:12
Das Ende eines Blog-Krimis
und ich bin ein bisschen wehmütig, weil es mir viel...
Flannery Culp - 13. Mai, 20:54
113: Ende
Die Sonne scheint heiß, vielleicht zum letzten Mal...
Flannery Culp - 12. Mai, 14:00
112: Auf-Lösung
„Schwarz hat die Adressen von Burg und der Dahlem herausbekommen...
Flannery Culp - 7. Mai, 21:21

Links (Der Betreiber dieses Blogs übernimmt keinerlei Gewähr für die Aktualität, Korrektheit, Vollständigkeit oder Qualität der bereitgestellten Informationen. Haftungsansprüche gegen den Betreiber dieses Blogs, welche sich auf Schäden materieller oder ideeller Art beziehen, die durch die Nutzung oder Nichtnutzung der dargebotenen Informationen bzw. durch die Nutzung fehlerhafter und unvollständiger Informationen verursacht wurden, sind grundsätzlich ausgeschlossen.)

Suche

 

Status

Online seit 6676 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 26. Feb, 11:52

Credits

RSS Box


Kapitel Drei
Kapitel Eins
Kapitel Fünf
Kapitel Sechs
Kapitel Vier
Kapitel Zwei
Metablog
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren