95: eine Entscheidung
Der Tee ist kalt geworden und es hat sich eine dünne glänzende Schicht gebildet, die ein verirrtes Licht von einer der Straßenlaternen spiegelt. Die Vorhänge sind nicht zugezogen. Alena steht am Fenster und starrt in die Dämmerung. Sie hat selten das Bedürfnis zu reden, aber heute Abend ist sie ungern allein. Sogar Pia wäre jetzt eine akzeptable Alternative. Nein, eigentlich wäre Pia die einzige Alternative. Den Gedanken an Kaspar verdrängt Alena, seitdem sie das Präsidium verlassen hat. Der Schock über seine Verhaftung ist vorbei, nun begleitet ein ständiges Gefühl von Unwohlsein Alenas Erinnerung an Kaspar. Darum weicht sie jeder gedanklichen Annäherung an ihn aus. Mehr oder weniger erfolgreich. Eher weniger erfolgreich. Kaspars Bild schiebt sich vor ihr inneres Auge und sie hört seine Stimme in ihrem Kopf. „Du weißt, warum ich das tun musste.“ – „Du Idiot,“ murmelt sie und die Worte verlieren sich in dem dunklen Nichts hinter ihr. Aber da ist keine Wut mehr, eher Ratlosigkeit. Sie ist ratlos, was ihre Beziehung zu Kaspar angeht. Ratlos, ob sie ihn jemals wieder sehen soll. Ob sie sich jemals wieder wohl in seiner Gegenwart fühlen kann.
Dann denkt sie: habe ich mich tatsächlich wohl bei ihm gefühlt? Sie erinnert sich an Kaspars kryptischen Bemerkungen. Worte, die in eine Richtung wiesen, der Alena nicht folgen wollte, aus Angst, dort etwas zu finden, das sie nicht sehen wollte. Schlussfolgerungen, die Kaspar selbstverständlich schienen, die aber eher Irritation in Alena ausgelöst haben. Nein, eigentlich hat sie sich nie wirklich wohl bei ihm gefühlt. Aber vermutlich war genau das der Grund für ihr Interesse. Die dunklen Seiten an Kaspar, seine schwarzen Gedanken, die verschlossenen Türen. Das ist es, was sie an Anderen sucht, was sie fasziniert und dazu bewegt, diese Menschen wieder zu treffen. Aber Basis für eine Freundschaft ist das nicht. Auf einmal sieht Alena sehr klar. Das ist es, was Kaspar ihr immer vorgeworfen hat. Und er hatte Recht. Sie sind keine Freunde.
Die Erkenntnis tut weh. Viel zu weh, um das letzte Wort zu sein. Was ist Freundschaft, überlegt Alena. Ist es ein unbestimmtes Gefühl oder entscheidet man sich dazu, Freunde zu sein? Wenn ja, aus welchen Gründen entscheidet man sich? Gelten Gründe wie ihre? Neugierde und der Versuch, mit Hilfe des Anderen in eine Welt vorzudringen, zu der sie alleine keine Tür finden kann? Zu einer Freundschaft gehört, dass man den Anderen nicht instrumentalisiert, ermahnt sie sich. Dass man versucht, auf den Anderen einzugehen, ihn zu verstehen. Ihn so akzeptiert, wie er ist. Auch wenn er langweiliger oder verrückter ist, als man es vorher erwartet hat. In diesem Moment trifft sie eine Entscheidung. Sie würde Kaspars Freund sein.
Für eine Weile betrachtet sie den Gedanken in ihrem Kopf, dreht ihn hin und her, wie etwas Unbekanntes, Neues. Sie verspürt ein wenig Aufregung. Dann hat sie genug davon, diese neue Erfahrung zu bestaunen und fragt sich, was sie nun tun soll. Sie kann schlecht zum Präsidium fahren. Und sie weiß noch nicht einmal, ob sich Kaspar dort noch aufhält. Sie kann auch Pia nicht anrufen. Die gerade auf dieser Dinerparty ihren Spaß hat. Gut, sie wird sich wahrscheinlich langweilen, macht Alena Konzessionen. Scheinwerfer, die bis in ihr Fenster leuchten, lenken ihre Aufmerksamkeit auf die Straße. Unten fährt ein Wagen um die Ecke, wird langsamer und parkt am Straßenrand. Das erinnert sie an etwas. Der Wagen vor Brigitte Dahlems Wohnung. Ob er heute nacht wieder dort steht? Pia hat bestimmt keinen Beamten mehr in der Straße postiert, nach der Pleite von gestern nacht.
Sie denkt weiter. Wenn der Wagen heute nacht wie gewöhnlich an der Straße parkt, auf der Brigitte Dahlem wohnt, und wenn der Fahrer des Wagens etwas mit den Morden zu tun hat, dann kann Kaspar auf keinen Fall der Täter sein und dann könnte sie es Pia beweisen. Das wäre etwas, das sie für Kaspar tun könnte.
Dann denkt sie: habe ich mich tatsächlich wohl bei ihm gefühlt? Sie erinnert sich an Kaspars kryptischen Bemerkungen. Worte, die in eine Richtung wiesen, der Alena nicht folgen wollte, aus Angst, dort etwas zu finden, das sie nicht sehen wollte. Schlussfolgerungen, die Kaspar selbstverständlich schienen, die aber eher Irritation in Alena ausgelöst haben. Nein, eigentlich hat sie sich nie wirklich wohl bei ihm gefühlt. Aber vermutlich war genau das der Grund für ihr Interesse. Die dunklen Seiten an Kaspar, seine schwarzen Gedanken, die verschlossenen Türen. Das ist es, was sie an Anderen sucht, was sie fasziniert und dazu bewegt, diese Menschen wieder zu treffen. Aber Basis für eine Freundschaft ist das nicht. Auf einmal sieht Alena sehr klar. Das ist es, was Kaspar ihr immer vorgeworfen hat. Und er hatte Recht. Sie sind keine Freunde.
Die Erkenntnis tut weh. Viel zu weh, um das letzte Wort zu sein. Was ist Freundschaft, überlegt Alena. Ist es ein unbestimmtes Gefühl oder entscheidet man sich dazu, Freunde zu sein? Wenn ja, aus welchen Gründen entscheidet man sich? Gelten Gründe wie ihre? Neugierde und der Versuch, mit Hilfe des Anderen in eine Welt vorzudringen, zu der sie alleine keine Tür finden kann? Zu einer Freundschaft gehört, dass man den Anderen nicht instrumentalisiert, ermahnt sie sich. Dass man versucht, auf den Anderen einzugehen, ihn zu verstehen. Ihn so akzeptiert, wie er ist. Auch wenn er langweiliger oder verrückter ist, als man es vorher erwartet hat. In diesem Moment trifft sie eine Entscheidung. Sie würde Kaspars Freund sein.
Für eine Weile betrachtet sie den Gedanken in ihrem Kopf, dreht ihn hin und her, wie etwas Unbekanntes, Neues. Sie verspürt ein wenig Aufregung. Dann hat sie genug davon, diese neue Erfahrung zu bestaunen und fragt sich, was sie nun tun soll. Sie kann schlecht zum Präsidium fahren. Und sie weiß noch nicht einmal, ob sich Kaspar dort noch aufhält. Sie kann auch Pia nicht anrufen. Die gerade auf dieser Dinerparty ihren Spaß hat. Gut, sie wird sich wahrscheinlich langweilen, macht Alena Konzessionen. Scheinwerfer, die bis in ihr Fenster leuchten, lenken ihre Aufmerksamkeit auf die Straße. Unten fährt ein Wagen um die Ecke, wird langsamer und parkt am Straßenrand. Das erinnert sie an etwas. Der Wagen vor Brigitte Dahlems Wohnung. Ob er heute nacht wieder dort steht? Pia hat bestimmt keinen Beamten mehr in der Straße postiert, nach der Pleite von gestern nacht.
Sie denkt weiter. Wenn der Wagen heute nacht wie gewöhnlich an der Straße parkt, auf der Brigitte Dahlem wohnt, und wenn der Fahrer des Wagens etwas mit den Morden zu tun hat, dann kann Kaspar auf keinen Fall der Täter sein und dann könnte sie es Pia beweisen. Das wäre etwas, das sie für Kaspar tun könnte.
Flannery Culp - 10. Apr, 20:26