67: Frühstück mit Kaspar

Alena fühlt sich wach und unternehmungslustig, als sie später als gewöhnlich aufwacht. Sie bleibt noch einen Moment im Bett liegen und beobachtet das Licht, das sich durch die zugezogenen Vorhänge in den Raum stiehlt. Vogelgezwitscher dringt durch das Fenster, das wie immer auf Kippe steht und Alena spürt einen leichten Windzug auf ihrem Gesicht. Sie dreht sich auf die Seite und denkt über den gestrigen Abend nach. Sie war schon lange nicht mehr Samstagabends unterwegs gewesen und obwohl sie den Abend mit Pia verbrachte, hatte es Spaß gemacht. Sie grinst vor sich hin. Vielleicht ist sie auch nur froh, dass sich der Konflikt mit Pia sich wieder gelöst hat. Dann erinnert sie sich an die getroffene Abmachung und wird ernst. Sie starrt auf die Blümchentapete auf der Wand neben ihrem Bett und denkt nach. Schließlich schwingt sie die Beine aus dem Bett und geht duschen.

Eine halbe Stunde später steht sie mit Brötchen vor Kaspars Tür und schaut leicht verlegen in sein total verschlafenes Gesicht. Kaspar sieht sie an, schaut auf die Brötchen und dann unwillkürlich an sich herunter. Er trägt zerschlissene Boxershorts und ein altes T-Shirt und scheint gerade aus dem Bett gefallen zu sein. „Waren wir verabredet,“ fragt er zweifelnd und Alena schüttelt schnell den Kopf. „Soll ich später wiederkommen? Oder hast Du heute keine Zeit?“ Kaspar tritt einen Schritt zurück. „Komm herein. Ich ziehe mich schnell an.“

In Kaspars Küche findet Alena zwei Teller und Messer, außerdem ein Paket Margarine, dessen Verfallsdatum nahe bevorsteht, und etwas Marmelade. Sie füllt Wasser in den verkalkten Kocher und wäscht zwei Tassen aus. Sie betrachtet nachdenklich das schmutzige Geschirr, dass sich neben der Spüle stapelt, aber entschließt sich dazu, nicht zu spülen. Wie kann Kaspar sich hier nur wohlfühlen, denkt sie. Aber sie weiß, dass sein Leben nicht in dieser Wohnung stattfindet, sondern in seiner Datenbank und im Internet. Vielleicht noch in diesem Raum voller Fotos und Zeitungsartikel, Fahndungsposter und Reliquien. Der Raum macht ihr Angst. Als der Wasserkocher ausgeht, merkt sie wie still es in der Wohnung ist. Wo ist Kaspar? Warum hört sie das Rauschen der Dusche nicht? Stocksteif bleibt sie mitten in der Küche stehen und lauscht. Alles steht still. Als wäre sie am Ende der Zeit angekommen, von wo aus nur noch ein Weg zurück in die Vergangenheit führt. Fühlt sich so das Leben der Brigitte Dahlem an, denkt sie auf einmal. Lebt sie in einer Gegenwart, die so leer ist, das sie fast nicht existiert, steht sie mit dem Rücken zur Zukunft, den Blick immer in die Vergangenheit gerichtet, den Sog aus der Vergangenheit spürend. Und immer mit dem Bewusstsein, dass dieser Sog von etwas Totem kommt. Gänsehaut überzieht Alenas Körper und dann steht Kaspar in der Tür und sieht sie fragend an. „Findest Du alles? Teebeutel sind im Küchenschrank.“ Mechanisch dreht sich Alena um, sucht das Paket Tee, das Kaspar nur für sie gekauft hat, und wird von der Frage gequält, warum ihr diese Gedanken gerade in Kaspars Wohnung kommen.

das Projekt Krimi-Blog

AUS DEN CHAOTISCHEN WINDUNGEN EINES KRIMIVERSEUCHTEN HIRNS BOHRT SICH EIN WEITERER ROMAN AN DIE DIGITALE OBERFLÄCHE EINES BLOGS. WIE SCHON IM VORGÄNGER „ZAHLEN UND ZEICHEN“ SOLL DAS SCHREIBEN EINES KRIMINALROMANS MIT DER PRAXIS DES BLOGGENS VERBUNDEN WERDEN. DAS BEDEUTET, DASS DER PLOT IN DEN GRUNDZÜGEN FESTSTEHT, DER KRIMI JEDOCH NICHT BEREITS FIX UND FERTIG IN DER SCHUBLADE LIEGT, SONDERN SICH IM SCHREIBEN ENTWICKELT. WAS GESCHRIEBEN WIRD, WIRD KURZ DARAUF GEBLOGGT, IST DAMIT FAKTISCH, UND WIRD NUR IN AUSNAHMEFÄLLEN (SEHR PEINLICHE TIPPFEHLER) GEÄNDERT. ERGÄNZT WIRD DAS GANZE DURCH METATEXT UND LINKS. EUCH UND MIR ALSO VIEL SPAß BEI „SPUREN UND STERNE“.

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