47: Krieg

Alena bleibt erstarrt im Sessel sitzen, ihre Glieder sind wie eingefroren. Sie beobachtet, wie Pia die Wohnungstür öffnet und wartet. Ihr Rücken ist sehr gerade, sie steht bewegungslos wie eine Statue. Dann beugt sie in der gewohnten zynischen Art ihren Kopf und sagt zu einem unsichtbaren Kaspar: „Herzlichen Willkommen. Wir trinken gerade gemütlich eine Tasse Tee.“ Sekunden später steht Kaspar im Wohnzimmer, unnatürlich gefasst. Alena starrt ihn an und hat das Gefühl, dass er sein gesamtes Arsenal an Angst und Unruhe bereits verbraucht hat. Zurück geblieben ist Gefühllosigkeit und Apathie. Hilflos zuckt er mit den Schultern und versucht ein Grinsen. „Aufgeflogen, was?“ Er setzt sich auf die gepolsterte Lehne des Sessels und legt den Arm um Alena, die sich unerwartet wohl dabei fühlt. Sie versucht sich zu erinnern, ob Kaspar sie jemals umarmt hat, aber ihr Kopf ist leer. Unwillkürlich rückt sie näher an ihn heran und er verstärkt den Druck seines Arms. Pia betrachtet die beiden wortlos und setzt sich dann wieder auf das Sofa. Sie fixiert Kaspar, der trotzig zurück starrt. „Seit wann kennen Sie sich,“ beginnt Pia die Befragung. Für einen Moment herrscht Stille, dann erklärt Kaspar fest: „Das geht Sie nichts an. Unsere Bekanntschaft geht Sie nichts an.“ Pia lacht höhnisch. „Klar geht es mich etwas an, wenn sich herausstellt, dass Sie Otto Schwarz und Hans Joachim Burg erschossen haben.“ Sie runzelt die Stirn, aber Kaspar scheint unbeeindruckt. Alena hofft unwillkürlich, dass sich das langsam manifestierende Scheiß-Egal-Gefühl in Kaspar positiv auswirken könnte. Tatsächlich bietet er kontra. Ohne auf die Anschuldigungen einzugehen, erklärt er: „Sie haben Alena um Hilfe gebeten und sie hat Ihnen geholfen. Glauben Sie mir, ich war nicht gerade begeistert von der Idee, aber Sie hatten anscheinend keine Skrupel, zwei Unbeteiligte in die Ermittlungen hineinzuziehen.“ Alena wartet besorgt auf die Formulierung der darin enthaltenen Drohung, aber Kaspar hält sich zurück und sie ist froh darüber. Pia verträgt es sicher nicht, wenn man andeutet, ihren Chef über die ungewöhnlichen Ermittlungsmethoden zu informieren. Stattdessen grinst Pia Kaspar ins Gesicht. „Nein, habe ich nicht. Und ich bin weit davon entfernt, Sie als unbeteiligt zu bezeichnen.“ Pia redet nun ausschließlich mit Kaspar und Alena versteht, dass sie ignoriert wird. „Ich habe Ihnen schon während des Verhörs klar gemacht, dass Ihnen ein wesentliches Interesse am Tod von Schwarz und Burg zugeschrieben werden kann. Und die Tatsache, dass Sie Frau Brandenburg dazu benutzen mit Brigitte Dahlem in Kontakt zu kommen, macht Sie nicht gerade vertrauenswürdiger.“ Kaspar öffnet den Mund um etwas zu sagen und Alena murmelt: „Sie will dich nur verunsichern. Sie weiß genau, dass du mich nicht dazu benutzt hast, sondern dass ich dich angesprochen habe. Auf ihren Wunsch hin.“ Mit diesen Worten beginnt sie den offenen Krieg mit Pia, das weiß Alena. Aber sie hat Pias Methoden noch nie gemocht und gegen Kaspar kann sie ihren Einsatz nicht tolerieren. Sie kennt Kaspar länger als Pia. Sie spürt Pias Blick auf sich und wagt es, sie anzusehen. Pias Augen sind kalt, aber Alena liest auch eine Art Erstaunen darin. Als wenn sie Alena nicht zugetraut hätte, gegen sie zu arbeiten. Alena hält dem Blick stand und die Botschaft in ihren Augen ist unmissverständlich: sie ist auf Kaspars Seite. Das kaum merkliche ironische Lächeln auf Pias Gesicht zeigt Alena, dass Pia die Herausforderung angenommen hat. Aber wohlmöglich nicht besonders ernst nimmt. „Gut,“ sagt sie, lehnt sich lässig im Sofa zurück und schlägt die Beine übereinander. „Was haben Sie nun vor, Herr Wagenbach. Wollen Sie den Rest der Truppe auch noch erledigen?“ Kaspar presst die Lippen zusammen und schüttelt den Kopf. „Sie haben nichts und schießen jetzt mit Pfeilen ins Dunkle, in der Hoffnung irgendwas zu treffen.“ Er hat Alenas Hinweis verstanden und ist ruhiger geworden. Pia senkt die Augenlider. „Sie wissen, wo Brigitte Dahlem wohnt, was nicht weiter schwierig war, herauszufinden. Sie wussten auch, wo Burg sich aufgehalten hat, zumindest, als er noch in Hamburg wohnte. Und seinen nächsten Aufenthaltsort kannten Sie vermutlich auch, Ihren akribischen Ermittlungen nach zu urteilen.“ Sie macht eine Pause um Kaspar die Möglichkeit zur Intervention zu geben. Alles was er sagt ist: „Ich wusste nicht, in welche Stadt Burg von Hamburg aus gezogen ist. Nach Hamburg war er für mich wie vom Erdboden verschluckt. Und meine Ermittlungen, wie Sie es nennen, beschränken sich darauf, im Internet nach seinem Namen zu googeln und eventuell mal ein Meldeamt anzurufen.“ Er verzieht seinen Mund zu einem müden Lächeln. „Wenn Sie mich dafür drankriegen wollen, bitte schön. Aber das ist ein ziemlich armseliges Ergebnis, wenn man eigentlich den Mörder eines Ex-Bullen finden möchte und alle Kollegen nur darauf warten, dass Sie ihn endlich präsentieren.“ Erstaunt registriert Alena, wie schnell Kaspar sich auf die psychologischen Spielchen mit Pia eingelassen hat. Er hat natürlich recht, denkt sie. Pia steht unter Druck, aber wie sie aufgrund Pias schwieriger Persönlichkeit vermutet, geht es nicht nur darum, dass sie dazu gedrängt wird, schnellstens den Mörder eines pensionierten Kollegen zu finden. Darüber hinaus darf sie auch keinen Fehler machen, der ihr von den mit Argusaugen beobachtenden Kollegen in den nächsten 100 Jahren hämisch aufs Butterbrot geschmiert werden würde. Sie erkennt, dass das Pias Schwachstelle ist.

das Projekt Krimi-Blog

AUS DEN CHAOTISCHEN WINDUNGEN EINES KRIMIVERSEUCHTEN HIRNS BOHRT SICH EIN WEITERER ROMAN AN DIE DIGITALE OBERFLÄCHE EINES BLOGS. WIE SCHON IM VORGÄNGER „ZAHLEN UND ZEICHEN“ SOLL DAS SCHREIBEN EINES KRIMINALROMANS MIT DER PRAXIS DES BLOGGENS VERBUNDEN WERDEN. DAS BEDEUTET, DASS DER PLOT IN DEN GRUNDZÜGEN FESTSTEHT, DER KRIMI JEDOCH NICHT BEREITS FIX UND FERTIG IN DER SCHUBLADE LIEGT, SONDERN SICH IM SCHREIBEN ENTWICKELT. WAS GESCHRIEBEN WIRD, WIRD KURZ DARAUF GEBLOGGT, IST DAMIT FAKTISCH, UND WIRD NUR IN AUSNAHMEFÄLLEN (SEHR PEINLICHE TIPPFEHLER) GEÄNDERT. ERGÄNZT WIRD DAS GANZE DURCH METATEXT UND LINKS. EUCH UND MIR ALSO VIEL SPAß BEI „SPUREN UND STERNE“.

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