45: unangenehme Neuigkeiten

Alenas Stimme klingt seltsam am Telefon. „Warst du schon bei ihr?“ Um wen macht sie sich Sorgen, denkt Kaspar. Um ihn oder um sich selbst? „Ich habe ihr nicht gesagt, dass wir uns kennen,“ sagt er. Vor seinem geistigen Auge sieht er, wie sie müde ihre Locken schüttelt. „Deswegen rufe ich nicht an. War es schlimm?“ Sie kennt Pia und wusste, was ihn dort erwartete. Er schließt seine Augen und murmelt: „Sie ist hinter mir her. Ich weiß es. Sie glaubt, dass ich es war. Beide Male.“ Verwirrtes Schweigen am anderen Ende. „Beide Male? Was soll das heißen?“ Kaspar erinnert sich, dass Alena von Burgs Tod noch nichts wissen kann und erzählt es ihr. Er hört sie durch den Hörer atmen. Dann wiederholt sie langsam: „Burg ist tot? Hat sie dir nähere Informationen gegeben?“ Kaspar lässt das Verhör im Geist Revue passieren und fühlt dabei erneut den Druck in seiner Magengegend. Fast verwundert antwortet er dann: „Nein. Er scheint Dienstag Abend oder Nacht getötet worden zu sein. Vielleicht in Hamburg, aber wenn ich länger darüber nachdenke, hat sie nie gesagt, dass der Mord tatsächlich in Hamburg stattgefunden hat.“ Sie hat ihn hingehalten und gequält, aber ihm nicht den kleinsten Bissen hingeworfen. „Scheiße,“ murmelt Kaspar. „Verdammte Scheiße.“ – „Kannst Du mir erzählen, wie das Gespräch abgelaufen ist?“ Alenas Stimme klingt nun definitiv beunruhigt. Kaspar starrt auf die Passanten, die an seinem Tisch vorbeilaufen. „Kann ich bei dir vorbei kommen? Ich sitze gerade in einem Kaffee und jeder kann zuhören.“ Mit Erleichterung bemerkt er, dass Alena nicht zögert, als sie sagt: „Klar. Ich bin zu hause.“ Mit neuer Energie gibt Kaspar der Bedienung ein Zeichen, dass er zahlen möchte.

Für einen Moment denkt Pia, dass sie vielleicht nicht richtig gehört hat. Hat Brigitte Dahlem die Namen Wagenbach und Brandenburg genannt? In einem Atemzug? Fast hilfesuchend sieht sie zu Riesel, der sie unsicher anstarrt. „Kaspar Wagenbach war als Historiker bei Brigitte Dahlem um ein Buch über die RAF zu schreiben,“ fragt er nun, sehr vorsichtig. Pia springt von ihrem Stuhl auf, läuft zur Tür und reißt sie auf. Im Flur ist niemand mehr zu sehen. Sie sprintet am Aufzug vorbei zu den Treppen und schafft die drei Etagen in Rekordzeit. In der Halle keine Spur von der Dahlem und sie ignoriert die fragenden Blicke des diensthabenden Polizisten am Empfang, als sie auf die Straße läuft und eine schmale dunkle Figur mit weiten Schritten in Richtung Bushaltestelle gehen sieht. Brigitte Dahlem dreht sich ruckartig um, als sie die schnellen Tritte hinter sich hört und weicht automatisch zurück, als Pia kurz vor ihr anhält. „Was soll das heißen, dass Kaspar Wagenbach mit Ihnen gesprochen hat,“ keucht Pia und stricht sich eine Strähne aus dem heißen Gesicht. Eine ältere Frau geht vorüber und sieht sie verwundert an; unwillkürlich macht sie einen Schlenker, als Pia ihr einen scharfen Blick zuwirft. Dahlem betrachtet sie amüsiert. „Das soll nichts anderes heißen, als das ein Historiker namens Kaspar Wagenbach ein Interview mit mir gemacht hat, wegen Hintergrundinformationen für eine wissenschaftliche Abhandlung.“ Pia beugt sich vor. „Sie wissen, wer Kaspar Wagenbach ist?“ Brigitte Dahlem zuckt lächelnd mit den Schultern. „Sicher weiß ich, dass er Mariannes Sohn ist. Er hat es mir gesagt, aber auch sonst hätte ich es mir denken können.“ – „Finden Sie es nicht merkwürdig, dass er, gerade er, sich mit diesem Anliegen an Sie gewandt hat?“ Pia versucht krampfhaft, ihre Haltung zurück zu erlangen, aber ihr Herz schlägt wie wild, und die Ursache dafür ist nicht der schnelle Lauf. Neugierde erscheint in den verblassten grünen Augen, die sie forschend ansehen. Pia verflucht sich, aber sie bekommt die Windrose nicht in den Griff, die die Gedanken in ihrem Kopf durcheinanderwirbelt. „Eigentlich finde ich es vollkommen verständlich, dass Kaspar Wagenbach sich mit der Geschichte der RAF befasst. Ausgangspunkt war sicher, dass er seine Mutter verstehen wollte. Und vielleicht hat er später gemerkt, dass da etwas ist, das die individuellen Entscheidungen übersteigt, und hat sich daher auf einer wissenschaftlichen Ebene angenähert.“ Sie wartet auf Pias Reaktion, die kaum zugehört hat. „Seine Assistentin, diese Frau Brandenburg, war das eine schlanke Frau mit blauen Augen und braunen Locken?“ Mit hochgezogenen Augenbrauen nickt Brigitte Dahlem und Pia hat das unangenehme Gefühl, als wenn sie gerade etwas preisgegeben hat. Brüsk sagt sie: „Das war bestimmt nicht das letzte Mal, dass wir Sie sprechen wollten. Wir sehen uns.“ Dann wendet sie sich um und geht mit schnellen Schritten zurück ins Präsidium.

das Projekt Krimi-Blog

AUS DEN CHAOTISCHEN WINDUNGEN EINES KRIMIVERSEUCHTEN HIRNS BOHRT SICH EIN WEITERER ROMAN AN DIE DIGITALE OBERFLÄCHE EINES BLOGS. WIE SCHON IM VORGÄNGER „ZAHLEN UND ZEICHEN“ SOLL DAS SCHREIBEN EINES KRIMINALROMANS MIT DER PRAXIS DES BLOGGENS VERBUNDEN WERDEN. DAS BEDEUTET, DASS DER PLOT IN DEN GRUNDZÜGEN FESTSTEHT, DER KRIMI JEDOCH NICHT BEREITS FIX UND FERTIG IN DER SCHUBLADE LIEGT, SONDERN SICH IM SCHREIBEN ENTWICKELT. WAS GESCHRIEBEN WIRD, WIRD KURZ DARAUF GEBLOGGT, IST DAMIT FAKTISCH, UND WIRD NUR IN AUSNAHMEFÄLLEN (SEHR PEINLICHE TIPPFEHLER) GEÄNDERT. ERGÄNZT WIRD DAS GANZE DURCH METATEXT UND LINKS. EUCH UND MIR ALSO VIEL SPAß BEI „SPUREN UND STERNE“.

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