Krimi iB Teil 13

Eine halbe Stunde später stehen sie vor einem Mietshaus am Randbezirk von Weißbach und lesen die handgeschriebenen und verknitterten Schildchen an den Klingeln. An der Straße reihen sich abgewohnte Mehrfamilienhäuser aneinander, der Bürgersteig ist leer. Es ist Mittag und die Sonne wirft kleine und tiefschwarze Schatten. Pia ist warm in ihrem Trenchcoat, sie zieht ihn aus und legt ihn über ihren Arm. Unter dem Blazer trägt sie ihre Dienstwaffe in einem Schulterholster. Riesel ist nervös, dicke Schweißtropfen stehen auf seiner Stirn. „Sie wohnt im dritten Stock,“ sagt er dann und räuspert sich, weil seine Stimme belegt klingt. Pia grinst. „Keine Bange, sie wird nicht gleich ihre Uzi herausholen, auch wenn wir Vertreter des faschistischen Polizeistaats sind.“ Riesel wirft ihr einen Blick zu, aus dem sie lesen kann, dass er ihre Bemerkung nicht witzig findet. Pias Grinsen wird breiter. „Sie haben das erste Mal mit Ex-Terroristen zu tun?“ Riesel nickt kurz und fragt stirnrunzelnd zurück: „Und Sie?“ Pia zuckt mit den Schultern. „Klar.“ Sie grinst noch immer, als sie energisch auf die Klingel drückt. Nach einer Weile knackt die Gegensprechanlage. „Wer ist da?“ Pia beugt sich vor, um direkt in die Anlage zu sprechen. „Mein Name ist Pia Stein-Bachmüller, Kriminalpolizei Altenburg. Wir haben ein paar Fragen.“ Erst bleibt die Anlage still. Dann erneut die Stimme: „Ich werde Sie nicht hineinlassen und ich werde keine Fragen beantworten.“ Pia zieht ihre Augenbrauen hoch und hält ihren Mund an die Anlage: „Wir können Sie auch vorladen und durch einen Beamten abholen lassen. Sie ersparen sich viel Aufregung und Ihren Nachbarn ein interessantes Schauspiel, wenn Sie jetzt mit uns reden. Wenn Sie nicht möchten, dass wir Ihre Wohnung betreten, können Sie auch zu uns herunterkommen.“ Wieder ist es einen Moment still. Dann das Knacken: „Ich komme runter.“ Pia sieht Riesel an und zuckt mit den Schultern. „Gehen wir ein wenig spazieren. Ist doch auch in Ihrem Interesse, auf offener Straße wird sie uns schon nicht abknallen.“ Riesels giftiger Blick ist das erste Highlight dieses Tages.

Kaspar klingt nervös am Telefon. „Du triffst sie also diesen Nachmittag? Was willst Du sie fragen? Wird sie sich nicht wundern, dass Du Dich für diesen Mord interessierst?“ Alena blättert in dem Buch, das vor ihr liegt und bei dessen Lektüre Kaspars Anruf sie unterbrochen hat. „Klar wird sie sich wundern. Sie ist nicht blöd. Aber sie ist die einzige Möglichkeit, an Infos zu kommen. Wenn Du es Dir allerdings anders überlegt hast, dann sage ich wieder ab.“ Für eine Sekunde hat sie die winzige Hoffnung, dass Kaspar anbeißen könnte. Aber sie wird natürlich enttäuscht. „Nein, schon in Ordnung,“ erwidert er nach kurzem Abwägen. Alena überlegt ob es sich lohnt, diese Strategie weiter zu verfolgen. Ein Versuch kann nicht schaden. „Was ist, wenn sie bereits von Dir weiß? Darf ich Ihr sagen, dass ich Dich kenne?“ Ein unruhiger Zischlaut kommt durch den Hörer. „Verdammt. Hältst Du das für möglich? Ich habe keine Lust, in den Fall hineingezogen zu werden.“ Seine Stimme klingt gequält. Alena seufzt innerlich auf. „Ich weiß es nicht. Aber gut, vielleicht bekomme ich heraus, ob sie Dich im Visier hat. Und wenn nicht, werde ich deinen Namen natürlich nicht erwähnen. Außerdem weiß sie schließlich nicht, dass wir uns kennen, sie kann daher von mir und meinen Fragen keine Verbindung zu Dir ziehen. Ich weiß allerdings nicht, ob wir unsere Bekanntschaft auf Dauer vor ihr verbergen können.“ Alena runzelt die Stirn. „Aber ehrlich gesagt glaube ich noch nicht mal, dass sie es besonders auffällig findet, wenn ich mit ungewöhnlichen Fragen komme. Das ist sie mittlerweile gewohnt.“ Sie zieht eine Grimasse, die Kaspar nicht sehen kann. „Ich glaube, sie findet mich etwas seltsam.“ Sie hört Kaspar das erste Mal seit längerem lachen. „Überrascht Dich das?“ Dann wird er wieder ernst. „Rufe mich sofort an, wenn Du wieder zu hause bist, ok?“

Pia und Riesel stehen einen Meter von der Sicherheitsglastür entfernt, und Pia fragt sich, ob es klug war, Brigitte Dahlem auf die Straße zu bitten. Die Fluchtgefahr ist hier größer. Könnte es zu einem Schusswechsel kommen? Sei nicht albern, denkt sie ungeduldig. Wir sind nicht mehr in den 70ern. Und wir können sie nicht zwingen, uns in die Wohnung zu lassen. Eine Vorladung dauert zu lange. Ich will jetzt mit ihr sprechen. Trotzdem fühlt sie Anspannung, als die Haustür sich Minuten später öffnet und eine hagere Frau in Jeans und schwarzem Sweater erscheint. Grüne Augen starren sie aus dem blassen, verlebten Gesicht trotzig an. Die braunen glatten Haare sind mit grauen Strähnen durchzogen und mit einem Haarband zu einem Zopf gebunden. Die Frau bleibt nach zwei Schritten vor ihnen stehen und hält die Arme vor der Brust verschränkt. Pia hält ihr den Dienstausweis hin und Riesel folgt hastig ihrem Beispiel. Brigitte Dahlem nimmt die Ausweise in ihre Hand und begutachtet sie aufmerksam. Dann gibt sie sie zurück. „Sollen wir ein paar Schritte gehen“, schlägt Pia vor. Ein misstrauischer Blick, dann kurzes Nicken. „Wenn es sein muss.“ Brigitte Dahlem setzt sich in Bewegung und Pia geht neben ihr, während Riesel einen Schritt hinter den beiden läuft. „Wir ermitteln in einem Mordfall, das Opfer heißt Otto Schwarz.“ Sie beobachtet Brigitte Dahlems Gesicht, und wird mit einem Zucken des ihr zugewandten Augenlides belohnt. Der Blick bleibt jedoch starr geradeaus. „Der Polizist Otto Schwarz? Ich dachte, der lebt schon lange nicht mehr.“

das Projekt Krimi-Blog

AUS DEN CHAOTISCHEN WINDUNGEN EINES KRIMIVERSEUCHTEN HIRNS BOHRT SICH EIN WEITERER ROMAN AN DIE DIGITALE OBERFLÄCHE EINES BLOGS. WIE SCHON IM VORGÄNGER „ZAHLEN UND ZEICHEN“ SOLL DAS SCHREIBEN EINES KRIMINALROMANS MIT DER PRAXIS DES BLOGGENS VERBUNDEN WERDEN. DAS BEDEUTET, DASS DER PLOT IN DEN GRUNDZÜGEN FESTSTEHT, DER KRIMI JEDOCH NICHT BEREITS FIX UND FERTIG IN DER SCHUBLADE LIEGT, SONDERN SICH IM SCHREIBEN ENTWICKELT. WAS GESCHRIEBEN WIRD, WIRD KURZ DARAUF GEBLOGGT, IST DAMIT FAKTISCH, UND WIRD NUR IN AUSNAHMEFÄLLEN (SEHR PEINLICHE TIPPFEHLER) GEÄNDERT. ERGÄNZT WIRD DAS GANZE DURCH METATEXT UND LINKS. EUCH UND MIR ALSO VIEL SPAß BEI „SPUREN UND STERNE“.

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