112: Auf-Lösung
„Schwarz hat die Adressen von Burg und der Dahlem herausbekommen und ihnen schon ca. 2 ½ Monate vor seinem Tod einen Besuch abgestattet, da er wohl davon ausging, dass einer von ihnen die Briefe geschrieben hat. Burg war sehr viel beunruhigter als Brigitte Dahlem. Er hatte Angst, dass ihm etwas angehängt werden sollte, und dazu kam die Befürchtung, das Leben, das er sich seit der Entlassung aufgebaut hatte, durch diesen Verdacht, wenn er öffentlich geworden wäre, wieder zu verlieren. Er hatte damals die Chance bekommen als Pfleger zu arbeiten, nachdem er allen Gewaltaktionen abgeschworen hatte. Wäre er verdächtigt worden, Drohbriefe an einen ehemaligen Ermittler zu senden, hätte ihm das sicher geschadet. Er beschloss also, zu verschwinden. Wie wir wissen, arbeitete er unter falschem Namen in dem Heim, wo seine Mutter lebt.“ Pia setzt sich etwas bequemer auf den Plastikstuhl. „Gleichzeitig ist er anscheinend an seinen freien Tagen nach Altenburg gefahren um Schwarz im Auge zu behalten. Und bei einer dieser Gelegenheit hat er ihn dabei beobachtet, wie er Robert Koch observierte.“
„Was für eine Kette von Zufällen,“ murmelt Alena. „Ich denke, das sind nicht unbedingt Zufälle,“ sagt Pia bestimmt. „Es hängt alles miteinander zusammen, die drei waren quasi durch ihre Vergangenheit aneinandergekettet. Burg hat schnell herausgefunden, wo Koch wohnt und arbeitet, und dass es ihm finanziell ziemlich gut geht. Und er hat sofort vermutet, dass Koch der Täter war, als er später erfahren hat, das Schwarz erschossen wurde. Koch hat ausgesagt, dass Burg ihn nach dem Mord kontaktierte und augenscheinlich erpressen wollte. Koch hat Burg daraufhin auf dem Rastplatz getroffen und dort erschossen.“ – „Burg wollte Koch erpressen,“ ruft Kaspar ungläubig. Pia zieht die Augenbrauen nach oben. „Wieso nicht? Entspricht das Ihrer Meinung nach nicht dem Ehrenkodex eines RAF-Mitgliedes?“ Sie lacht spöttisch. „Wer Waffenhändler ausraubt und Banken überfällt, für den ist auch ein Erpressung kein Problem, oder? Und ich vermute, die Solidarität unter RAF-Kampfgenossen versiegt spätestens dann, wenn man selbst 20 Jahre im Knast sitzt, während der Ex-Genosse in aller Ruhe sein Studium nachholt und dann als Professor an einer berühmten Uni arbeitet.“
Pia wartet eine Antwort von Kaspar ab, aber als er nur vor sich hinstarrt, erzählt sie weiter: „Die Beschattung von Frau Dahlem war schließlich aus Kochs Paranoia geboren. Er hat vermutet, dass Burg vor seinem Tod mit Brigitte Dahlem gesprochen hat und ihr von ihm erzählte. Und ich gehe mal davon aus, dass das auch der Fall gewesen ist.“ Sie sieht Alena an, die mit den Schultern zuckt. „Keine Ahnung. Sie hat mir nur gesagt, sie wisse, wer da unten im Auto sitzt. Das sei die einzige mögliche Schlussfolgerung gewesen. Inwieweit sie von Burg informiert worden ist, …“ Sie beendet den Satz nicht und schaut ihrerseits zu Kaspar. Er reagiert nicht. Als er die Augen beider Frauen auf sich spürt, schüttelt er unwirsch den Kopf. „Ich weiß es nicht. Ich habe ja auch erst an dem gleichen Tag wie du von dem Wagen erfahren. Und danach habe ich nicht mehr mit ihr geredet.“ Nachdenklich sieht Pia ihn an. Dann nimmt sie den Faden wieder auf. „Gut,“ sagt sie. „Jedenfalls hatte Koch Angst, dass Brigitte Dahlem sich an ihm rächen würde. Er hat berichtet, dass die Dahlem und Burg damals gut befreundet, vielleicht sogar ein Paar waren. Und er kennt Brigitte Dahlem und traut ihr eine solche Aktion durchaus zu. Wie ich übrigens auch.“ Sie lächelt dünn. „Er wollte ihr auf jeden Fall zuvorkommen und fing an, sie zu beobachten.“ Dann lehnt sie sich zurück. „Das war´s. Den Rest kennen Sie.“
Einen Moment lang ist es still. „Und damals, die Flucht? Hat er Brigitte Dahlems Version bestätigt,“ fragt Alena nach einem Blick auf den schweigenden Kaspar. Pia nickt. „Hoffmann hat sich geweigert, mit Marianne Wagenbach zu fliehen und Koch hat die Gelegenheit ergriffen. Er sagte aus, dass er schon länger vorgehabt hätte, auszusteigen. Schwarz hat ihnen Pässe besorgt und einen Wagen mit einem sauberen Nummernschild. Sie sind in Wolfsburg in den Zug gestiegen und über die Grenze gefahren. In Berlin haben sie dann einen Kontaktmann getroffen, der ihnen ihre neue Identität gegeben hat und wieder neue Pässe. Dann ist Koch in eine Kleinstadt in die Nähe von Weimar gebracht worden, wo er eine Wohnung bekommen hat und in einer Fabrik arbeiten sollte. Das hat er gerade eine Woche durchgehalten. Er hat seinen Vater angerufen und der ermöglichte ihm die Flucht. Wieder ein Wechsel der Identität und schließlich studierte er in Hamburg BWL. Das Studium war die Bedingung seines Vaters für seine Hilfe.“ Sie wendet sich an Kaspar. „In Berlin hat Koch Ihre Mutter das letzte Mal gesehen. Die beiden durften nicht zusammenbleiben und es wurde ihnen untersagt sich zu treffen. Was wohl auch in ihrem Sinne war.“ Kaspar fixiert immer weiter den grauen Tisch. „Ich habe ihn gefragt, ob er bereit wäre, mit Ihnen zu reden. Er hat sofort abgelehnt. Meinte, er wolle mit der RAF nichts mehr zu tun haben.“
Jetzt sieht Kaspar auf. „Ich will auch nicht mit ihm reden,“ sagt er fest. Etwas erstaunt sieht Pia zu ihm. Heftig erklärt Kaspar: „Es macht mich krank, auch nur den Begriff RAF zu hören. Ich habe die Schnauze so voll. Ich will einfach nicht mehr.“ Alena und Pia starren ihn an. „Schon gut,“ beschwichtigt Pia. Dann steht sie auf. „Ich gehe jetzt wieder. Sie haben noch eine Viertelstunde, Alena, dann ist die Besuchszeit vorbei.“ An der Tür dreht sie sich noch einmal um. „Hätte ich beinahe vergessen. Das wollen Sie aber wahrscheinlich doch haben,“ bemerkt sie und legt das Foto von Marianne und Schwarz auf den Tisch. „Bis dann.“ Die Tür fällt hinter ihr zu.
Kaspars Augen kleben an dem Foto. Langsam streckt er die Hand danach aus und noch langsamer zieht er es zu sich heran. „Wo hat sie das Bild her,“ fragt er, ohne Alena anzusehen. Alena erzählt es ihm und er nickt nur, mit gesenktem Kopf. Plötzlich fällt ein Tropfen auf das Foto und zerplatzt in eine kleine glänzende Lache. Erschrocken sieht Alena auf die kleine feuchte Stelle, ohne zu wissen, wie sie reagieren soll. Kaspar wischt hektisch über das Bild und fährt dann mit dem Handrücken über seine Wange. „Kaspar,“ flüstert sie hilflos, und er vergräbt sein Gesicht in seine Hände. Alena rückt näher, legt ihren Arm um seine Schultern und drückt seinen Kopf an ihre Wange. Wie ein Steinbild bleiben sie so, unbeweglich, bis der Beamte hereinkommt um das Ende der Besuchszeit anzukündigen.
„Was für eine Kette von Zufällen,“ murmelt Alena. „Ich denke, das sind nicht unbedingt Zufälle,“ sagt Pia bestimmt. „Es hängt alles miteinander zusammen, die drei waren quasi durch ihre Vergangenheit aneinandergekettet. Burg hat schnell herausgefunden, wo Koch wohnt und arbeitet, und dass es ihm finanziell ziemlich gut geht. Und er hat sofort vermutet, dass Koch der Täter war, als er später erfahren hat, das Schwarz erschossen wurde. Koch hat ausgesagt, dass Burg ihn nach dem Mord kontaktierte und augenscheinlich erpressen wollte. Koch hat Burg daraufhin auf dem Rastplatz getroffen und dort erschossen.“ – „Burg wollte Koch erpressen,“ ruft Kaspar ungläubig. Pia zieht die Augenbrauen nach oben. „Wieso nicht? Entspricht das Ihrer Meinung nach nicht dem Ehrenkodex eines RAF-Mitgliedes?“ Sie lacht spöttisch. „Wer Waffenhändler ausraubt und Banken überfällt, für den ist auch ein Erpressung kein Problem, oder? Und ich vermute, die Solidarität unter RAF-Kampfgenossen versiegt spätestens dann, wenn man selbst 20 Jahre im Knast sitzt, während der Ex-Genosse in aller Ruhe sein Studium nachholt und dann als Professor an einer berühmten Uni arbeitet.“
Pia wartet eine Antwort von Kaspar ab, aber als er nur vor sich hinstarrt, erzählt sie weiter: „Die Beschattung von Frau Dahlem war schließlich aus Kochs Paranoia geboren. Er hat vermutet, dass Burg vor seinem Tod mit Brigitte Dahlem gesprochen hat und ihr von ihm erzählte. Und ich gehe mal davon aus, dass das auch der Fall gewesen ist.“ Sie sieht Alena an, die mit den Schultern zuckt. „Keine Ahnung. Sie hat mir nur gesagt, sie wisse, wer da unten im Auto sitzt. Das sei die einzige mögliche Schlussfolgerung gewesen. Inwieweit sie von Burg informiert worden ist, …“ Sie beendet den Satz nicht und schaut ihrerseits zu Kaspar. Er reagiert nicht. Als er die Augen beider Frauen auf sich spürt, schüttelt er unwirsch den Kopf. „Ich weiß es nicht. Ich habe ja auch erst an dem gleichen Tag wie du von dem Wagen erfahren. Und danach habe ich nicht mehr mit ihr geredet.“ Nachdenklich sieht Pia ihn an. Dann nimmt sie den Faden wieder auf. „Gut,“ sagt sie. „Jedenfalls hatte Koch Angst, dass Brigitte Dahlem sich an ihm rächen würde. Er hat berichtet, dass die Dahlem und Burg damals gut befreundet, vielleicht sogar ein Paar waren. Und er kennt Brigitte Dahlem und traut ihr eine solche Aktion durchaus zu. Wie ich übrigens auch.“ Sie lächelt dünn. „Er wollte ihr auf jeden Fall zuvorkommen und fing an, sie zu beobachten.“ Dann lehnt sie sich zurück. „Das war´s. Den Rest kennen Sie.“
Einen Moment lang ist es still. „Und damals, die Flucht? Hat er Brigitte Dahlems Version bestätigt,“ fragt Alena nach einem Blick auf den schweigenden Kaspar. Pia nickt. „Hoffmann hat sich geweigert, mit Marianne Wagenbach zu fliehen und Koch hat die Gelegenheit ergriffen. Er sagte aus, dass er schon länger vorgehabt hätte, auszusteigen. Schwarz hat ihnen Pässe besorgt und einen Wagen mit einem sauberen Nummernschild. Sie sind in Wolfsburg in den Zug gestiegen und über die Grenze gefahren. In Berlin haben sie dann einen Kontaktmann getroffen, der ihnen ihre neue Identität gegeben hat und wieder neue Pässe. Dann ist Koch in eine Kleinstadt in die Nähe von Weimar gebracht worden, wo er eine Wohnung bekommen hat und in einer Fabrik arbeiten sollte. Das hat er gerade eine Woche durchgehalten. Er hat seinen Vater angerufen und der ermöglichte ihm die Flucht. Wieder ein Wechsel der Identität und schließlich studierte er in Hamburg BWL. Das Studium war die Bedingung seines Vaters für seine Hilfe.“ Sie wendet sich an Kaspar. „In Berlin hat Koch Ihre Mutter das letzte Mal gesehen. Die beiden durften nicht zusammenbleiben und es wurde ihnen untersagt sich zu treffen. Was wohl auch in ihrem Sinne war.“ Kaspar fixiert immer weiter den grauen Tisch. „Ich habe ihn gefragt, ob er bereit wäre, mit Ihnen zu reden. Er hat sofort abgelehnt. Meinte, er wolle mit der RAF nichts mehr zu tun haben.“
Jetzt sieht Kaspar auf. „Ich will auch nicht mit ihm reden,“ sagt er fest. Etwas erstaunt sieht Pia zu ihm. Heftig erklärt Kaspar: „Es macht mich krank, auch nur den Begriff RAF zu hören. Ich habe die Schnauze so voll. Ich will einfach nicht mehr.“ Alena und Pia starren ihn an. „Schon gut,“ beschwichtigt Pia. Dann steht sie auf. „Ich gehe jetzt wieder. Sie haben noch eine Viertelstunde, Alena, dann ist die Besuchszeit vorbei.“ An der Tür dreht sie sich noch einmal um. „Hätte ich beinahe vergessen. Das wollen Sie aber wahrscheinlich doch haben,“ bemerkt sie und legt das Foto von Marianne und Schwarz auf den Tisch. „Bis dann.“ Die Tür fällt hinter ihr zu.
Kaspars Augen kleben an dem Foto. Langsam streckt er die Hand danach aus und noch langsamer zieht er es zu sich heran. „Wo hat sie das Bild her,“ fragt er, ohne Alena anzusehen. Alena erzählt es ihm und er nickt nur, mit gesenktem Kopf. Plötzlich fällt ein Tropfen auf das Foto und zerplatzt in eine kleine glänzende Lache. Erschrocken sieht Alena auf die kleine feuchte Stelle, ohne zu wissen, wie sie reagieren soll. Kaspar wischt hektisch über das Bild und fährt dann mit dem Handrücken über seine Wange. „Kaspar,“ flüstert sie hilflos, und er vergräbt sein Gesicht in seine Hände. Alena rückt näher, legt ihren Arm um seine Schultern und drückt seinen Kopf an ihre Wange. Wie ein Steinbild bleiben sie so, unbeweglich, bis der Beamte hereinkommt um das Ende der Besuchszeit anzukündigen.
Flannery Culp - 7. Mai, 21:19