35: Heimfahrt mit Kollegen
Als sie zurück nach Altenburg fahren, versinkt der Tag in der Dämmerung einer frühen Herbstnacht. Lang ist einsilbig und Pia ist froh, ihren Gedanken nachhängen zu können. Zwischendurch gibt sie Anweisungen: „Lang, die Projektile müssen untersucht werden. Ich will wissen, ob Burg mit der gleichen Waffe erschossen wurde, wie Schwarz.“ – „Dafür muss ich ihn erst aufschneiden, die Kugeln stecken noch in der Leiche,“ erklärt Lang müde. „Die Autopsie mache ich gleich morgen früh.“ Sein Ton enthält die Botschaft, dass es ihr nicht einfallen sollte, schon heute nacht auf der Autopsie zu bestehen. Riesel schaltet sich ein: „Wenn Burg tatsächlich von dem Typen erschossen wurde, der auch Schwarz getötet hat, können wir dann davon ausgehen, dass Burg den Mörder erpressen wollte?“ – „Gucken Sie bitte auf die Straße, ich habe keine Lust in einem schwarzen Sack neben Burg zu liegen,“ herrscht Pia ihn an, als er sich zu ihr umdreht. Dann erklärt sie: „Vielleicht war Burg auch ein Komplize, der dem Mörder zu heiß geworden ist. Aber bevor wir uns in Spekulationen verlieren, warten wir mal auf die Ergebnisse der Ballistik-Untersuchung.“ Sie dreht sich Richtung Rücksitz, wo Lang neben seinem Koffer sitzt. „Damit hängt es also von Ihnen ab, ob der Fall voran geht – und wie sich die Laune von Oberdorf in den nächsten Tagen entwickelt.“ – „Oberdorf ist Ihr Chef, nicht meiner,“ murmelt Lang, aber er kennt genauso gut wie Pia den Einfluss, den Oberdorf in der Behörde hat. Riesel fährt langsamer, als er in die Ausläufer des Feierabendverkehrs kommt. „Wir sollten uns diesen Wagenbach noch mal ansehen,“ überlegt Pia. „Ich gestehe, dass ich ein bisschen neugierig bin. Und es schadet nichts, nach seinen Aktivitäten am gestrigen Tag zu fragen.“ Sie wendet sich wieder Lang zu, der sich tiefer in den Polyestersitz drückt. „Ich brauche also ganz dringend den Todeszeitpunkt.“ – „Wie ich schon sagte, die Autopsie. Dann haben Sie Ihren Todeszeitpunkt. Morgen früh.“ Seine Stimme klingt endgültig. „Und da sagt man immer, keiner kann meinem Charme wiederstehen,“ bemerkt Pia, aber niemand lacht. „Also, rufen Sie Kaspar Wagenbach mal morgen früh an und laden Sie ihn für nachmittags vor, oder wann er auch immer von der Arbeit kommt. Wir sind da ja flexibel.“ – „Er ist ziemlich schräg,“ sagt Riesel, den Blick unverwandt auf die Straße vor ihm gerichtet. „Weiß man, wer sein Vater ist?“ Er schüttelt vorsichtig den Kopf. „Die Mutter hat keine Angaben gemacht. Sie sagte, sie wüsste seinen Namen nicht.“ Lang wirft von hinten ein: „Ich glaube, das war in der wilden Flowerpowerzeit nichts Besonderes. Kennt man ja, wer einmal mit der gleichen pennt….“ Pia wirft ihm einen Blick zu. „Wollten Sie jetzt etwas Gehaltvolles zur Diskussion beitragen?“ Abwehrend hebt Lang seine Hand. „Schon gut. Ich halte jetzt meinen Mund, bis wir auf der Dienststelle sind.“ Riesel biegt auf die Hauptverkehrsstrasse Altenburgs. Sie fahren am Markt vorbei, auf dem Studenten sich in den diversen Biergärten vom anstrengenden Studium erholen und berufstätige Singles über Kollegen und gemeinsame Freunde herziehen oder von ihren gescheiterten Beziehungen erzählen. „Sie glauben also nicht, dass Kaspar Wagenbach inmitten dieser fröhlichen Menge weilt,“ fragt Pia. Riesel grinst starr geradeaus. „Absolut nicht. Ich könnte ihn mir eher mit einem Pumpgun in einer Schule vorstellen.“ – „Sie sollten sich durch Ihre kaum verborgenen Vorurteile nicht die objektive Einschätzung von Verdächtigen versauen,“ belehrt Pia in einem milden Ton. „Ist er denn ein Verdächtiger? Wir haben doch gar keine Anhaltspunkte.“ Riesel reißt die Augen auf und Pia lächelt. „Jeder ist ein Verdächtiger, bis er mir das Gegenteil beweist.“ – „So viel wie ich weiß, geht der Spruch aber anders,“ macht sich Lang bemerkbar. „So viel wie ich weiß, gibt der Erfolg immer Recht,“ erwidert Pia kühl. „Kümmern Sie sich besser um Ihre Toten und die Spuren. Ich würde mich äußerst glücklich schätzen, wenn ich bis 11 Uhr die ersten Ergebnisse habe.“
Flannery Culp - 24. Nov, 20:33