Samstag, 18. November 2006

sternkleinsternkleinsternklein

31: Amtshilfe

Pia fragt nicht lange, woher Alena die Informationen hat. Die Erwähnung des unbekannten Historikers reicht ihr völlig: „Das ist hochinteressant.“ Pias Stimme verrät die nur mühsam unterdrückte Aufregung. „Wenn Burg also Kippe ist, dann hält er sich lt. den Ermittlungen von Schwarz in Freiburg auf.“ Eine kurze Pause. „Macht das Sinn? Was sollte er in Freiburg tun? Warum ist er nicht legal dorthin gezogen, hat sich in Hamburg abgemeldet und in Freiburg wieder angemeldet?“ Alena hält sich zurück, sie ahnt, dass Pia gerade laut denkt ohne sich dessen bewusst zu sein. „In der Nähe von Freiburg lebt Burgs Mutter in einem Pflegeheim,“ kommen weitere Überlegungen aus dem Hörer. „Hat er vor, sie zu besuchen? Aber angeblich wurde bisher niemand dort vorstellig. Die Leiterin hat meinem Kollegen erzählt, dass Frau Burg schon lange keinen Besuch mehr hatte.“ In Alenas Kopf klickt eine Verbindung. Etwas, das Kaspar erwähnte, bei dem Gespräch mit Brigitte Dahlem. „Pia, Burg soll selber Pfleger gewesen sein. Er hat in Heidelberg gearbeitet, ist dort mit dem sogenannten Sozialistischen Patienten Kollektiv in Berührung gekommen und von dort in die RAF gerutscht.“ Am anderen Ende ist Stille. Eine angespannte, rotierende Stille. Dann der Ausruf: „Verdammt, Burg könnte als Pfleger in dem Altenheim arbeiten. Unter falschem Namen.“ Erneute Stille, jetzt wieder nachdenklich. „Aber warum diese Heimlichtuerei?“ Alena steigt in die Spekulation ein. „Vielleicht wollte er seiner Vergangenheit entfliehen. Da weiter machen, wo er aufgehört hat. Und gleichzeitig etwas gut machen. Der Grund für sein Versteckspiel müssen keine geplanten Verbrechen gewesen sein, Burg hat vielleicht psychologische Gründe für sein Verhalten.“ Pia zögert, ohne zuzustimmen. „Vielleicht.“ Es klingt wenig überzeugt. „Aber das bekommen wir noch heraus. Ich werde jetzt erst mal anfragen, ob ein neuer Pfleger vor kurzem in dem Altenheim angestellt wurde. Dann sehen wir weiter.“ Kurze Pause, als erinnere sie sich an etwas. „Danke, Alena.“ Dann zeigt ein Klicken an, das der Hörer aufgelegt wurde. Alena lässt den Hörer auf die Gabel fallen und lehnt sich zurück. Mit weitgeöffneten Augen starrt sie in die Dämmerung des verdunkelten Raums.

Nervös klopft Pia mit den Fingern auf die Schreibtischunterlage. Tatsächlich arbeitet seit zwei Monaten ein Joachim Brückner in dem Altenheim, mit einem befristeten Vertrag zur Aushilfe. Laut Auskunft der Leiterin wurde Brückner aufgrund eines akuten Personalmangels eingestellt, er hatte gute Zeugnisse und gute Referenzen. Man sei froh gewesen, schnell einen Ersatz für einen krankheitsbedingten Ausfall erhalten zu haben, darum habe man sich mit den vorgelegten Papieren zufrieden gegeben. Es habe ohnehin keinen Anlass zum Zweifel gegeben. Pias Nervosität ist vor allem durch den Zusatz begründet, dass Brückner seit gestern nicht mehr zur Arbeit erschienen sei. Er habe außerdem Dienstag früher Schluss gemacht, aus dringenden persönlichen Gründen. Daraufhin hat Pia sich mit dem Leiter der Mordkommission des Kommissariats Freiburg verbinden lassen und ihn um Amtshilfe gebeten. Seine Leute sollten zu diesem Zeitpunkt bereits mit einem Foto von Burg auf dem Weg zum Altenheim und mit einer Vorladung auf dem Weg zur Wohnung von Joachim Brückner sein. Allerdings kann sich Pia an fünf Fingern abzählen, dass Burg nicht mehr in der Wohnung ist. Warum ist er plötzlich verschwunden? Wollte er sich mit jemandem treffen? Hat er Schwarz ermordet und wollte nun fliehen? Schwarz wurde Freitag Nacht ermordet, und Brückner hatte laut Auskunft der Leiterin Frühschicht, die um 16.00 Uhr endete. Mit einem Wagen könnte er es in vier Stunden bis nach Altenburg geschafft haben, den Mord verübt haben und wieder zurück nach Freiburg gefahren sein, wo er um 7.00 Uhr pünktlich seinen Dienst aufgenommen hatte. Alles möglich. Als Riesel zurück ins Büro kommt, brieft Pia ihn kurz und er starrt sie mit offenem Mund an. „Burg arbeitet als Pfleger im Altenheim seiner Mutter?“ Er legt die Notizen und ein paar Mappen ab und lässt sich auf seinen Stuhl fallen. „Ich habe die Überwachungsberichte von der Frankfurter Kripo, die damals für das BKA angefertigt wurden. Hansen aus der Verwaltung kennt jemanden bei der Kripo Frankfurt und der hat uns Kopien von den Berichten auf dem kleinen Dienstweg zugeschickt.“ Er klopft grinsend auf die Aktendeckel und Pias Augen leuchten auf. „Nicht schlecht, Riesel.“ Für eine Sekunde überlegt sie, ob sie selbst brauchbare Kontakte zu anderen Dienststellen hat oder auch nur jemanden kennt, der sie ihr knüpfen könnte. Da ihr niemand einfällt, zuckt sie mental mit den Achseln. Dafür hat sie kommunikationsbereite Mr. Nice Guys wie Riesel. Als das Telefon klingelt hält sie den Hörer binnen Sekundenbruchteilen an ihr Ohr. „Haben Sie etwas für mich,“ fragt sie anstelle einer Begrüßung. Stirnrunzelnd hört sie eine Weile zu und beendet das Telefonat mit den Worten: „Gut, so machen wir es. Rufen Sie mich an, wenn Sie etwas Neues wissen.“

das Projekt Krimi-Blog

AUS DEN CHAOTISCHEN WINDUNGEN EINES KRIMIVERSEUCHTEN HIRNS BOHRT SICH EIN WEITERER ROMAN AN DIE DIGITALE OBERFLÄCHE EINES BLOGS. WIE SCHON IM VORGÄNGER „ZAHLEN UND ZEICHEN“ SOLL DAS SCHREIBEN EINES KRIMINALROMANS MIT DER PRAXIS DES BLOGGENS VERBUNDEN WERDEN. DAS BEDEUTET, DASS DER PLOT IN DEN GRUNDZÜGEN FESTSTEHT, DER KRIMI JEDOCH NICHT BEREITS FIX UND FERTIG IN DER SCHUBLADE LIEGT, SONDERN SICH IM SCHREIBEN ENTWICKELT. WAS GESCHRIEBEN WIRD, WIRD KURZ DARAUF GEBLOGGT, IST DAMIT FAKTISCH, UND WIRD NUR IN AUSNAHMEFÄLLEN (SEHR PEINLICHE TIPPFEHLER) GEÄNDERT. ERGÄNZT WIRD DAS GANZE DURCH METATEXT UND LINKS. EUCH UND MIR ALSO VIEL SPAß BEI „SPUREN UND STERNE“.

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