Dienstag, 17. Oktober 2006

sternkleinsternkleinsternklein

17: der Anruf

Kaspar sieht Alena an. Dann murmelt er: „Deine Freundin ist noch verrückter als Du.“ Alena spürt seine verhaltene Aufregung, aber sie zuckt nur mit den Schultern. „Sie ist nicht meine Freundin.“ Kaspar steht auf und beginnt, im Zimmer herumzulaufen. „Was genau will sie von mir? Du hast ihr erzählt, ich wäre Historiker?“ Alena nickt ruhig. „Du bist Historiker. Du hast einen Magisterabschluss. Also habe ich nicht gelogen. Und irgendwie willst Du doch schon lange ein Buch über die RAF schreiben, oder? Jedenfalls wäre das die einzige akzeptable Konsequenz aus Deiner jahrelangen und verbohrten Beschäftigung mit diesem Thema.“ Sie sitzt auf Kaspars alten grünen Cordsofa in dem kaum benutzten Wohnzimmer. Vor dem Sofa steht ein unglaublich hässlicher niedriger Tisch mit beigen Kacheln, auf dem sie jetzt den Keramikbecher abstellt. Sie zieht den Teebeutel heraus und hält ihn Kaspar hin, der ihn wortlos annimmt und in die winzige Küche bringt. „Kann ich Zucker haben,“ ruft sie ihm hinterher und er bringt einen Süßstoffspender aus Plastik mit. „Hast Du ihr meinen Namen gesagt?“ Alena zieht zweifelnd zu, wie sich die Süßstofftabletten zischend im heißen Tee auflösen. „Ich habe gesagt, dass Du Johannes Stein heißt. Ein anderer Name ist mir auf die Stelle nicht eingefallen.“ Kaspar lässt sich zurück in den abgenutzten braunen Ohrensessel fallen. „Toll. Sie wird diesen Namen überprüfen und herausfinden, dass niemand mit diesem Namen jemals Geschichte studiert hat. Vielleicht wohnt auch gar kein Johannes Stein in Altenburg. Was weiß ich.“ Er steht auf um erneut seine nervöse Wanderung aufzunehmen. „Kannst Du nicht mal für eine Sekunde ruhig bleiben,“ sagt Alena genervt und bereut für einen Moment zutiefst, sich auf die ganze Geschichte eingelassen zu haben. Aber Pias Vorschlag klang einfach zu gut. Und sie selbst hat die Informationen bekommen, die sie wollte. Noch im Nachhinein entzückt sie der Gedanke, dass es tatsächlich einen Mord gegeben hat und ehemalige Mitglieder der RAF in Verdacht stehen. Sie spürt wieder das aufgeregte Kribbeln im Magen und versucht das nervöse Grinsen zu verbergen, das in ihr aufsteigt. „Es ist ihr wahrscheinlich vollkommen egal wer Du tatsächlich bist. Sie ist sehr pragmatisch. Sie muss an Brigitte Dahlem herankommen und hat bereits realisiert, dass ihr das nicht gelingt. Brigitte Dahlem redet nicht mit Polizisten. Du bist kein Polizist, also redet sie vielleicht mit Dir.“ Alena setzt sich gerade hin. „Überleg doch mal. Du hast die Möglichkeit von Brigitte Dahlem Informationen aus allererster Hand zu bekommen. Gerade hast du noch gedacht, dass Du in einer Sackgasse steckst, und jetzt eröffnet sich ein ganz neuer Weg für Dich, ein Weg, der versprechender ist, als alles, was Du bisher versucht hast.“ Kaspar bleibt mitten im Raum stehen. Ohne sich zu Alena umzudrehen sagt er: „Das ist kein neuer Weg. Ich habe schon versucht sie zu kontaktieren. Sie und Burg. Als sie beide noch im Gefängnis waren. Ich haben ihnen einen Brief geschickt und sie um ein Gespräch gebeten.“ Alena sieht die Anspannung in seinen Schultern. „Sie haben beide abgelehnt. Sie wollten nicht mit mir reden.“ Alena runzelt die Stirn. „Hast Du ihnen gesagt, wer Du bist?“ Kaspar nickt und kehrt dann zum Ohrensessel zurück. „Das war wohl auch der Grund, warum sie mich nicht treffen wollten.“ Verständnislos schüttelt Alena ihre Locken. „Haben sie die Ablehnung begründet?“ Mit vornüber gebeugtem Oberkörper stützt sich Kaspar mit den Ellenbogen auf seinen Knien auf. „Sie haben mir nur mitgeteilt, dass sie mir nichts zu sagen haben. Und wenn ich jetzt wieder um ein Treffen bitte, bekomme ich garantiert eine neue Abfuhr. Brigitte Dahlem wird weder vergessen haben wer ich bin, noch dass ich bereits versucht habe, sie zu kontaktieren.“ – „Shit,“ murmelt Alena. Das passt nicht in den Plan. In Pias Plan. Aber sie selbst ist ebenfalls enttäuscht. Mittlerweile brennt sie darauf, mehr über die ganze Angelegenheit zu erfahren. Aber das geht nur über Kaspar. „Egal,“ sagt sie dann entschlossen. „Du rufst sie an und erzählst von dem Buch, das du schreiben möchtest. Sag ihr explizit, dass du diesmal einen anderen Beweggrund hast, dass du mit dem anderen Thema abgeschlossen hast. Und dann sehen wir ja, wie sie reagiert.“ Sie sieht Kaspar erwartungsvoll an. „Was hast du zu verlieren? Wenn sie nein sagt, klappt es eben nicht. Aber vielleicht sagt sie ja zu.“ Kaspar starrt auf den schwarzen Bildschirm des Fernsehers. „Hast Du ihre Telefonnummer?“ Nervös kramt Alena in ihrer schwarzen Ledertasche und reicht ihm einen ausgerissenen Zettel aus einem Notizbuch. Kaspar betrachtet das Stück Papier einen Moment, als könnte es seine Fragen beantworten. Dann greift er nach dem Handy, das auf dem Couchtisch liegt und tippt die Nummer ein. Atemlos beobachtet Alena, wie Kaspar angespannt einen Punkt im Raum fixiert, den nur er allein sehen kann. Dann richtet er sich auf und beginnt zu sprechen. „Brigitte Dahlem? Guten Tag. Mein Name ist Kaspar Wagenbach. Ich kontaktiere Sie wegen eines wissenschaftlichen Buchprojekts.“ Er zögert kurz und erklärt dann mit fester Stimme: „Wie Sie bereits wissen, bin ich Marianne Wagenbachs Sohn.“

das Projekt Krimi-Blog

AUS DEN CHAOTISCHEN WINDUNGEN EINES KRIMIVERSEUCHTEN HIRNS BOHRT SICH EIN WEITERER ROMAN AN DIE DIGITALE OBERFLÄCHE EINES BLOGS. WIE SCHON IM VORGÄNGER „ZAHLEN UND ZEICHEN“ SOLL DAS SCHREIBEN EINES KRIMINALROMANS MIT DER PRAXIS DES BLOGGENS VERBUNDEN WERDEN. DAS BEDEUTET, DASS DER PLOT IN DEN GRUNDZÜGEN FESTSTEHT, DER KRIMI JEDOCH NICHT BEREITS FIX UND FERTIG IN DER SCHUBLADE LIEGT, SONDERN SICH IM SCHREIBEN ENTWICKELT. WAS GESCHRIEBEN WIRD, WIRD KURZ DARAUF GEBLOGGT, IST DAMIT FAKTISCH, UND WIRD NUR IN AUSNAHMEFÄLLEN (SEHR PEINLICHE TIPPFEHLER) GEÄNDERT. ERGÄNZT WIRD DAS GANZE DURCH METATEXT UND LINKS. EUCH UND MIR ALSO VIEL SPAß BEI „SPUREN UND STERNE“.

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