Donnerstag, 5. Oktober 2006

sternkleinsternkleinsternklein

Krimi im Blog: Teil 10

Ohne seine Augen von der Liste zu nehmen nickt Oberdorf langsam. „Es handelt sich um fünf Personen, die im Frühjahr 1978 ein Sprengstoffattentat auf die amerikanische Botschaft in Bonn geplant hatten. Sie wollten den Tod von Baader, Ensslin und Raspe rächen. Es war der Initiative von Schwarz zu verdanken, dass das Attentat verhindert werden konnte. Erst drei Jahre später gelang die Verhaftung von Peter Hoffmann, Brigitte Dahlem und Hans-Joachim Burg. Zwei der Gruppe wurden nie gefasst. Später stellte sich heraus, dass sie in die DDR geflüchtet waren und dort unter neuer Identität lebten. Robert Koch ist weiterhin untergetaucht und Marianne Wagenbach hat sich das Leben genommen, als die Mauer fiel. Hoffmann, Dahlem und Burg wurden zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt.“ Jetzt sieht er Pia an. „Schwarz hat oft von der Sache geredet, der Fall war ein Wendepunkt in seinem Leben. Das war der Fall, mit dem sein beruflicher Aufstieg begann. Schlagartig wurde er damals bekannt, nicht nur innerhalb der Kripo; er wurde auch in der Presse als Held gefeiert. Die Planung des Kommandos Andreas Baader, wie sich die Gruppe nannte, war brutal. Es hätte einer der blutigsten Anschläge seiner Zeit werden können.“ Oberdorf schließt kurz die Augen. „Schwarz war wie besessen, als nach dem Anschlag kein Gruppenmitglied verhaftet werden konnte. Er hat sich wie ein Bluthund an ihre Fersen geheftet. Es war ein persönlicher Triumph für ihn, als die Ermittlungen zumindest in drei Fällen Erfolg hatten.“ Müde sagt er: „Es ist gut möglich, dass einer oder mehrere von den dreien vor kurzem entlassen wurden und daraufhin einen Rachefeldzug gegen ihn gestartet haben.“ Er schüttelt langsam mit dem Kopf. „So ein Wahnsinn.“ – „Wissen Sie genaueres über die Entlassungstermine? Wir gehen davon aus, dass die Drohungen Mitte letzten Jahres begannen“, fragt Pia. Oberdorfs Gesichtszüge werden hart. „Nein, aber die Entlassungstermine dürften sich leicht herausbekommen lassen.“ Seine kleinen runden Schweinsaugen verengen sich zu schmalen Schlitzen. „Und dann machen Sie ihnen die Hölle heiß, Pia. Sie haben meine volle Unterstützung.“ Pia lächelt, als sie das Büro verlässt.

Zurück an ihrem Schreibtisch hält Riesel ihr den Telefonhörer hin. „Alena Brandenburg. Soll ich durchstellen?“ Pia starrt ihn einen Moment an und runzelt dann die Stirn. „Hat sie gesagt, in welcher Angelegenheit sie mich sprechen möchte?“ Riesel verneint und fragt dann neugierig: „Sie ist doch die Nachbarin von diesem Professor Erbacher, oder? Der Todesfall im Winter. Sie wurde niedergeschlagen.“ Pia ignoriert seine Fragen und nimmt ihm den Hörer aus der Hand. Mit einer Kopfbewegung bedeutet sie ihm das Gespräch zu übergeben und meldet sich. Ihre Begrüßung klingt steif in ihren Ohren. Alenas Stimme hört sich dagegen unbefangen an. „Alena Brandenburg. Ich hoffe, ich störe nicht.“ Pia dreht Riesel den Rücken zu. „Nein. Was gibt es? Haben Sie eine Leiche im Hausflur entdeckt?“ Alena lacht leise und Pia entspannt sich etwas. „Glücklicherweise ist es hier momentan ziemlich langweilig. Darum wollte ich auch mal wieder einen Kaffee trinken gehen und dachte, Sie haben vielleicht Lust und Zeit, ein wenig zu plaudern.“ Pia weiß für einen Moment nicht, was sie sagen soll. Sie ist überrascht, aber gleichzeitig auch erfreut. Dann schleicht sich ein anderer Gedanke in ihren Kopf. Alena ist ein Einzelgänger. Sie trifft sich nicht in Cafes um dort zu plaudern. Pia erinnert sich an den Fall im Winter; Alena hatte nur dann Kontakt zu Bekannten aufgenommen, wenn sie Auskünfte wollte. So wird es auch in diesem Fall sein. Sie möchte etwas wissen. Pia überlegt einen Moment, ob sie beleidigt sein soll, aber sie kommt zu dem Schluss, dass es in Alenas Fall keinen Sinn macht, normale soziale Maßstäbe anzulegen. Stattdessen wird sie neugierig. Für was ist Alena bereit, ihre seltsame kleine Welt zu verlassen?

das Projekt Krimi-Blog

AUS DEN CHAOTISCHEN WINDUNGEN EINES KRIMIVERSEUCHTEN HIRNS BOHRT SICH EIN WEITERER ROMAN AN DIE DIGITALE OBERFLÄCHE EINES BLOGS. WIE SCHON IM VORGÄNGER „ZAHLEN UND ZEICHEN“ SOLL DAS SCHREIBEN EINES KRIMINALROMANS MIT DER PRAXIS DES BLOGGENS VERBUNDEN WERDEN. DAS BEDEUTET, DASS DER PLOT IN DEN GRUNDZÜGEN FESTSTEHT, DER KRIMI JEDOCH NICHT BEREITS FIX UND FERTIG IN DER SCHUBLADE LIEGT, SONDERN SICH IM SCHREIBEN ENTWICKELT. WAS GESCHRIEBEN WIRD, WIRD KURZ DARAUF GEBLOGGT, IST DAMIT FAKTISCH, UND WIRD NUR IN AUSNAHMEFÄLLEN (SEHR PEINLICHE TIPPFEHLER) GEÄNDERT. ERGÄNZT WIRD DAS GANZE DURCH METATEXT UND LINKS. EUCH UND MIR ALSO VIEL SPAß BEI „SPUREN UND STERNE“.

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